Hast du schon einmal von Österreichs kolonialer Vergangenheit gehört?
Wahrscheinlich nicht, denn in den Geschichtsbüchern wird diese Seite unserer Geschichte meist nur in Fußnoten erwähnt. Und doch: Auch ein Land ohne Kolonien hinterlässt Spuren im globalen Machtspiel. Österreichs Rolle im Kolonialismus war weniger offensichtlich – aber keineswegs unbedeutend.
Triest – Das Tor zur Welt
Wir schreiben das 18. Jahrhundert. Österreich, Teil des Heiligen Römischen Reiches, ist keine Seemacht. Und doch träumt es von unbekannten Gewürzen, wertvollen Stoffen und dem Prestige, das der Handel mit den Kolonien Europas mit sich bringt. Triest, eine Stadt an der Adriaküste, wird zum Herz dieser Ambitionen. Kaiser Karl VI. erklärt den Hafen 1719 zum Freihafen. Hier laufen Schiffe ein, beladen mit Waren aus Indien, Afrika und Amerika – Erzeugnisse eines Systems, das auf Ausbeutung und Sklaverei basiert.
Doch Triest ist nicht nur eine Handelsdrehscheibe, sondern auch ein Symbol für Österreichs indirekten Kolonialismus: Anstatt Kolonien zu besitzen, investiert das Kaiserreich in den Handel mit Kolonialmächten wie Großbritannien, den Niederlanden oder Portugal. Ein strategischer Zug, um von den kolonialen Gewinnen zu profitieren, ohne die Kosten einer eigenen Expansion zu tragen.
Die Österreichisch-Ostindische Kompanie
Im Jahr 1776 wird die „Österreichisch-Ostindische Kompanie“ gegründet. Mit großem Ehrgeiz und noch größeren Träumen sendet sie ihre Schiffe in die Welt hinaus.
Doch der Traum endet schnell: Die Konkurrenz der etablierten Kolonialmächte ist zu stark, die finanziellen Risiken sind zu hoch. Nach wenigen Jahren wird das Projekt eingestellt- doch es bleibt ein Beweis dafür, dass auch Österreich seinen Platz im globalen Machtgefüge gesucht hat und nicht etwa aus moralischen Gründen keine Kolonien besessen hat.
Expeditionen und Wissenschaft
Kolonialismus war nicht nur eine militärische und wirtschaftliche Angelegenheit, sondern auch eine wissenschaftliche. Expeditionen, die im Namen Österreichs durchgeführt wurden, brachten Wissen über entfernte Länder nach Europa – oft auf Kosten der dortigen Kulturen und Gemeinschaften. So wurde der österreichische Forscher Karl von Scherzer berühmt, als er 1857 mit der Fregatte „Novara“ die Welt umrundete und zahllose botanische, zoologische und ethnologische Proben sammelte. Wobei sammeln und stehlen in diesem Kontext beinahe synonym verwendet werden können.
Doch was bedeutete das für die Menschen in den bereisten Regionen? Die koloniale Wissenschaft war oft ein Werkzeug der Kontrolle – sie schuf Bilder von „Fremden“, die Europa in seiner Überlegenheit bestärken sollten.
Der Mythos vom „unbeteiligten Beobachter“
Heute wird Österreich oft als Land ohne koloniale Schuld dargestellt. Schließlich gab es nie eigene österreichische Kolonien, oder? Doch diese Vorstellung ist zu kurz gegriffen. Indem es Handel trieb, „wissenschaftliche“ Expeditionen unterstützte und kulturelle Güter sammelte, profitierte auch Österreich von kolonialen Strukturen.
Heute – 2025
Unsere Geschichte ist komplex, und auch Österreich hat in der globalen Geschichte eine Rolle gespielt, die hinterfragt werden muss. Was bedeutet es, Teil eines Systems gewesen zu sein, das auf Unterdrückung und Ausbeutung beruhte?
Die Antwort darauf liegt in unseren Händen – durch eine offene und kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit können wir das Fundament für eine gerechtere Zukunft legen.