Heimatverlust und Zerstörung – Was bedeutet es zu fliehen?
Geflüchteten Personen und ihren Geschichten wird häufig zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Statt mit Geflüchteten wird über sie geredet, und das meist fern jenseits aller Fakten. Was macht eine Person zum "Flüchtling" und was ruft dieses Wort in uns hervor? Eine Analyse und eine Geschichte einer jungen Frau, die im Kindesalter aus ihrer Heimat fliehen musste.
Schlagwörter in der Politik
Woran denkst du, wenn du das Wort „Flüchtling“ hörst?
Höchstwahrscheinlich eher an Negatives als an Positives.
Das hat den Grund, dass durch die Medien heutzutage vieles in den Negativen Schatten rutscht und nur einseitig beleuchtet wird. Vielleicht kennst du ja den Begriff „Politisches Schlagwort“- wenn nicht hier eine kleine Erläuterung: Ein Politisches Schlagwort entsteht, wenn eine politische Situation oder ein politischer Diskurs auf ein besonders einprägsames Wort zusammengefasst wird. Solche Wörter können positiv, aber häufig auch negativ behaftet sein. Hier ein paar Beispiele im Zusammenhang mit unserem Thema:
„Flüchtlingswelle“
„Wirtschaftsflüchtling“
„Asylant*in“
“Flüchtlingsstrom“
In 3 der 4 genannten Wörter kommt das Wort „Flüchtling“ vor. Ich ersetze dieses Wort gerne durch den Begriff „Geflüchtete Person“, da „Flüchtling“ durch die Nachsilbe „ling“ eine starke Tendenz zu negativ behafteten Wörtern hat und diese Form grammatikalisch gesehen zur Niedlichkeitsform zählt-was in Betracht dessen, dass dieses Wort sich auf einen Menschen bezieht, sehr erniedrigend ist. Durch diese oberflächliche, negative Behaftung geht der Wert der Person, um die es sich doch eigentlich handelt, leider ziemlich rasch verloren.
Aus welchen Gründen flieht man?
Krieg und Gewalt
79,5 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Meist sind es Krieg und Gewalt, die Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Immer dabei ist die Angst um das eigene Leben, um das Leben und das Wohlergehen der Kinder, der Familie oder von Freunden.
Gewaltsame Konflikte und Krieg machen ein normales Leben oftmals unmöglich und führen zu Tod und Verletzungen, Armut und Hunger. Die Lebensgrundlagen der Menschen werden durch Krieg und Gewalt zerstört. Felder können nicht mehr bestellt werden, Arbeitsplätze werden zerstört, Lebensmittel werden knapp und Preise steigen.
Menschenrechtsverletzungen
Fehlen Gesundheitsvorsorge, ein Bildungssystem oder die Möglichkeit sich ausreichend zu ernähren, kann das Leben der Menschen schwierig sein. Kommt politische Verfolgung, Diskriminierung und Folter einzelner Gruppen wie ethnischer oder religiöser Minderheiten hinzu, sehen viele Menschen nur den Ausweg der Flucht.
Hunger & Klimawandel
Hunger und Flucht stehen eng zusammen. Hunger und Armut, sei es durch Krieg und Gewalt oder durch klimatische Veränderungen hervorgerufen, können Konflikte auslösen, die die Menschen zur Flucht zwingen.
Gewaltsame Konflikte sind oftmals Ursache für Lebensmittelknappheit und den Anstieg der Preise für die Lebensmittel. (Felder werden zerstört, Ernten beschlagnahmt, etc.) Klimawandel und Umweltschäden gefährden in vielen Regionen der Welt die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung.
Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdrutsche oder verheerende Stürme vernichten Ernten und Anbauflächen und können Lebensmittelknappheit zur Folge haben. Wasser wird in vielen Regionen, vor allem der Regionen Afrikas, immer knapper. Regenzeiten verschieben sich und werden weniger verlässlich. Dürre führt zur Recourcenknappheit. Hungerkrisen in der Heimatregion kommen hinzu, so dass Geflüchtete Personen sich bereits geschwächt und krank auf den Weg machen. Für diese Menschen ist die Flucht, mit tagelangen Märschen in großer Hitze oder bei stundenlangen Regenfällen, eine enorme Strapaze, die sie nicht selten nicht überleben.
Asyl kurz und knapp erklärt!
Was sind Asylwerber_innen bzw. Asylsuchende?
Asylwerber_innen oder Asylsuchende bezeichnet Menschen, die im Ausland um Asyl, d.h. um Schutz vor Verfolgung, angesucht haben und deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Immer wieder wird leider auch der Begriff „Asylant_in“ verwendet – Dieser hat allerdings über die Zeit eine abwertende Bedeutung angenommen, weshalb er nicht benützt werden sollte.
Wie kann eine Person um Asyl ansuchen?
Um einen Asylantrag, oder ganz korrekt gesagt einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, muss eine Person vor einem_r Polizist_in artikulieren, den Schutz Österreichs zu benötigen.
Eine junge Frau erzählt uns ihre Geschichte
Sie möchte anonym bleiben.
Ich war 5 Jahre alt als der Krieg begonnen hat…ich hatte keine Ahnung, was in der Politik und in unserem Umfeld gerade geschah.
Die Situation in Syrien spitzte sich immer weiter zu. Uns war klar, dass wir hier nicht länger bleiben konnten. Meine Eltern fingen nach und nach an alles zu verkaufen, was sich bei uns im Haus befand, um Geld zum Fliehen zusammenzukratzen. Es war ein beklemmendes Gefühl nicht zu wissen wieso die Mama andauernd traurig und verzweifelt war. Es war ein beunruhigendes Gefühl nicht zu wissen, wieso der Papa nie zuhause war. Es war ein erschütterndes Gefühl, Menschen Tag ein und Tag aus vor der eigenen Türe leiden und sterben zu sehen.
Ich bemerkte wie die Freunde, Verwandten und auch die Nachbarn anfingen, all ihre Sachen zu packen und loszuziehen. Von Tag zu Tag wurden es weniger… manche flüchteten und manche starben. Das tat weh. So unglaublich weh. Unzählige Geliebte Menschen zu verlieren.
Dann war der Zeitpunkt gekommen und auch wir brachen auf. Wir machten uns erstmal auf den Weg in eines unserer Nachbarländer. Dort kamen wir in einem Lager für geflüchtete Personen unter und blieben dort ein Jahr lang. Die Umstände in diesem Land waren leider sehr schlecht, und somit konnte sich meine Familie nicht vorstellen für längere Zeit hier zu bleiben. Besonders für eine meiner kleinen Schwestern, die schwerkrank ist, schon viele Operationen hinter sich hatte und weitere medizinische Unterstützung brauchte, war es für uns nicht möglich und auch nicht vorstellbar weiter in diesem Land zu bleiben. Meine Eltern kamen zu dem Entschluss weiter nach Europa zu wandern. Sie wollten uns eine Möglichkeit bieten, in einem friedlichen Zuhause aufzuwachsen und einen Zugriff auf gute Bildung zu haben. Es war ein harter, langer und anstrengender Weg nach Europa zu kommen… Wir hatten nichts zu trinken, kaum zu essen. Das war die mit Abstand schlimmste Zeit in meinem Leben, die ich bis heute nicht verkraftet habe.
Als wir dann vor 7 Jahren in Österreich ankamen, wurden wir in ein Camp für Geflüchtete Menschen gebracht. Unsere Klamotten waren durlöchert, nass und dreckig. Wir mussten uns bei der Ankunft zahlreichen Befragungen der Polizei unterziehen. Wir waren völlig überfordert und am Ende unserer Kräfte. Meine Schwester weinte, meine Mama fluchte & mein Vater war gestresst. Meine große Schwester und ich saßen nur ruhig da und beobachteten das Geschehen… wir hatten nicht den Mut etwas zu sagen…aber innerlich bürdete sich die Angst in uns wieder fort zu müssen. In diesem Camp verharrten wir über ein halbes Jahr bis meine Eltern eines Tages vor Gericht mussten, um den weiteren Verlauf zu beschließen. Mit Tränen in den Augen kamen sie auf uns zu und berichteten uns, dass wir in Österreich bleiben durften. In diesem Moment fiel mir ein undenkbar großer Stein vom Herzen. Ich fühlte mich seit Jahren das erste Mal sicher.
Mit vereinten Kräften schafften wir es mithilfe vom Sozialamt ein Haus zu finden. Dort gingen wir Kinder in die Schule, besuchten einen Deutschkurs und hatten die Möglichkeit Kontakt mit neuen Leuten zu knüpfen. Mittlerweile leben ich und meine Familie seit 7 Jahren in Salzburg und wir stehen hier, sprechen fließend Deutsch, ich bin jetzt 17 und mache heuer Matura, meine große Schwester hat ihre Lehre abgeschlossen und meine kleinen Geschwister besuchen die Volksschule und ihnen geht es blendend. Auch meine kleine Schwester, die krank ist, kann durch die nötigen Operationen, die wir in Österreich vornehmen konnten, ihre Finger bewegen und wir geben die Hoffnung nicht auf, dass sie irgendwann einmal fähig sein wird mit ihren eigenen Beinen durchs Leben laufen zu können! Ich bin so unendlich dankbar für all die Dinge, die mir hier ermöglicht werden.
Dieses Abenteuer hat mich stark gemacht und ich glaube fest daran, dass am Ende jedes Tunnels Licht zu finden ist.
„Wenn du den Regenbogen sehen willst, musst du den Regen aushalten.“
-Dolly Parton