11. November 2016
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Alles andere als respektvoll

„Wörter beinhalten gewisse Wissensstrukturen, also Normen usw. Solange wir diese Strukturen nicht ändern, wird auch ein Wort nichts ändern.“

...frei nach Stefanowitsch, Sprache und Plattformneutralität, openmind #12, Kassel 2012

Jede_r von uns hat bereits Erfahrungen mit diskriminierender Sprache gemacht. Hier möchte ich besonders auf respektlose Bezeichnungen für Frauen* und deren Geschlechtsorganen eingehen, wobei ich mit weiblichen* Geschlechtsorganen die Körperteile meine, welche von der Gesellschaft als weiblich* gesehen werden.

Das weibliche* Primärgeschlechtsorgan oder eben „das da unten“

‚Vagina‘ ist eine der vermeintlich neutralsten Bezeichnungen des weiblichen* Primärgeschlechtsorganes, die sich am weitesten in der Gesellschafft verbreitet hat, wobei  der Begriff eigentlich nur den Bereich von Scheideneingang bis Muttermund (der unterste Teil der Gebärmutter) meint.

Da Worte einen wesentlichen Einfluss auf die Sicht der Gesellschaft in Bezug auf bestimmte Themen haben, ist meiner Meinung nach ‚Vulva‘ der respektvollste Begriff. Denn anders als Vagina bezeichnet es nicht nur den „für den Mann* interessanten Teil“, sondern die Gesamtheit des Geschlechtsorgans mit Venushügel, Klitoris, Harnröhre, Scheideneingang, äußeren & inneren Schamlippen.

Als Kind wird Mädchen* beigebracht ‚verniedlichte‘ Bezeichnungen für ihr Geschlechtsorgan zu nutzen (zum Beispiel Blume, Perle, Pfläumchen, Schmetterling), was mit der Pubertät das ‚erwachsenere‘ Benennen der Vulva nicht wirklich erleichtert. Die Scham-Bezeichnungen allerdings, die zu diesen ‚erwachseneren‘ Benennungen gehören, beeinflussen und verunsichern junge Mädchen* unbewusst, sodass sie wirklich mehr oder weniger glauben, der weibliche* Körper wäre etwas Verbotenes und Schamvolles. Bezeichnungen, die es schon ‚ewig‘ gibt, sogar in manchen religiösen Schriften verwendet werden, und nur von Männern* erfunden worden sein können.

Ich persönlich sehe kein Problem darin, wenn die weiblichen* Geschlechtsorgane von Kindern als ‚Vulva, Klitoris, Brüste‘ bezeichnet werden, wenn sie denn so wollen. Es sollen keine ‚verbotenen‘ Wörter sein, die sich bei der Nutzung falsch oder peinlich anfühlen.

Manche Kindesbezeichnungen sind bei weitem nicht so ‚schön‘ & ‚unschuldig‘ wie mensch vielleicht glaubt. Zum Beispiel Fufi, Mumu, Pippilotta, Poscheminchen, Scheide, Muschi – wobei letztere auch von Erwachsenen genutzt wird.

 

Respektlose Bezeichnungen der Frau* und der Vulva

Es gibt genug absurde Bezeichnungen der Vulva mit Kopfschüttelwert, die ich hier nicht näher erläutern will. Auch auf verschiedene Phrasen, die sich viele Frauen* immer wieder ungebeten anhören müssen und beleidigend sind, werde ich hier nicht näher eingehen, um derartigen Herabwürdigungen nicht noch mehr Platz zu geben.

Es gibt gefühlt nahezu unendlich viele Schimpfwörter für Frauen*, natürlich wesentlich mehr als für Männer* – wen wundert’s.

Tatsächlich gibt es auch zu diesem Thema zu viele Online-Seiten, die Nachschub liefern, sollten jemandem mal die Bezeichnungen ausgehen… Egal ob sich jene Schimpfwörter auf Frauen* allgemein, ihre Geschlechtsorgane, Charakter- oder biologische Züge beziehen, sie sind nichts anderes als die reinste Degradierung.

 

Einige Folgen der respektlosen Sprache

All diese Schimpfwörter haben eines gemeinsam: Sie tragen nicht gerade zum respekt- und liebevollem Miteinander der Menschen bei. Ob nun bewusst oder unbewusst, durch die Nutzung dieser Wörter, sprachlich und auch gedanklich, wird der Wert der Frauen* drastisch degradiert – was sich dann sowohl im Reden als auch im Verhalten gegenüber Frauen* zeigt.

 

Slut Shaming

Durch Slut Shaming wird die Sexualität der Frau* herabgewürdigt, was besonders bei weniger selbstbewussten oder jungen Mädchen* und Frauen* negative Auswirkungen auf deren Selbstwert, daraufhin auch die Art des Kleidens und Verhaltens und das Ausleben ihrer Sexualität hat.

Als Resultat des Ganzen denken ebenso Frauen* untereinander negativ von jenen, die ihr Denken und Handeln weniger von derartiger Sprache beeinflussen lassen, obwohl jede Frau* genauso in Situationen kommen kann, die frau* selbst bis dahin verurteilt hat.

Zum Beispiel „viel“ Sex zu haben, sich so zu kleiden, wie frau* will und daraufhin blöd angemacht zu werden – oder eben ungewollt schwanger zu werden etc…

Anstatt sich gegenseitig zu verurteilen, sollten zumindest Frauen* versuchen, einander zu verstehen – was eigentlich gar nicht so schwer sein sollte, da frau* ja auf ähnliche Probleme trifft – und unterstützen, aber das ist leider anscheinend leichter gesagt als getan.

 

Schluss damit!

Ich habe keine Ahnung, wer all diese Bezeichnungen erfunden hat oder neue erfindet, sie wurden und werden jedenfalls nicht auf einer liebevollen Basis und aufgrund gleichberechtigter Menschenrechte verbreitet und genutzt. Daher sollten diese Schimpfwörter wirklich vollends abgeschafft werden. Was allerdings ein von Grund auf liebe- und respektvolleres Denken aller Menschen voraussetzt, damit überhaupt die Sprache und in weiterer Instanz das Handeln geändert werden kann.

kichaka.net Foto: kichaka.net