22. September 2015
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Mitbestimmen als Lehrling?

Lehrlinge werden oft vergessen, wenn von Schüler_innen die Rede ist. Mit ein Grund dafür ist, dass sie nur ein Fünftel ihrer Zeit in der Schule sitzen, den Rest verbringen sie bei der Arbeit. Doch welche Möglichkeiten der Mitbestimmung haben Lehrlinge? Sophia Steixner erklärt den Alltag als Interessenvertreterin in Schule und Beruf.

Firma

in jedem Betrieb mit mindestens 5 Lehrlingen kann sich ein Jugendvertrauensrat bilden, welcher die Anliegen und Interessen der Lehrlinge vor der Firma vertritt. Ich bin Jugendvertrauensrätin in meiner Firma und erzähle, wie es dazu gekommen ist.

Mit Autoritäten hatte ich schon immer meine Probleme, auch zu Beginn meiner Lehre mit 15. In der Schule war das noch nicht so problematisch, weil ich, wenn ich ehrlich bin, dort eher selten war. Als ich aber meine Lehre begann, hatte ich plötzlich mehrere Personen, auf die ich hören musste, denen ich nicht wiedersprechen durfte. Im ersten Moment machte mir das ein bisschen Angst. Doch dann wurde mir gleich am ersten Tag der Jugendvertrauensrat (JVR) vorgestellt.

Es wurde mir erklärt das der JVR da ist, um die Anliegen der Lehrlinge vor der Firma zu vertreten. Ich war sofort begeistert und beschäftigte mich näher damit. Der Jugendvertrauensrat ist zu Betriebsratssitzungen eingeladen und hat dort die Möglichkeit mitzureden und auf Probleme der Jugendlichen aufmerksam zumachen. Schnell war für mich klar, das will ich machen. In meinem 2. Lehrjahr war es dann endlich soweit: Neuwahlen. Ich suchte mir ein Team und wir kandidierten zu fünft als Jugendvertrauensrat. Mein Team wurde gewählt und plötzlich hatte ich etwas zu sagen. Autoritätspersonen begegnen mir jetzt gleich ganz anders. Sie hören mir zu und passen manchmal sogar auf, was sie zu mir sagen. Ich bekomme plötzlich mit, was in der Firma passiert und darf aktiv mitbestimmen.

Viele denken jetzt vermutlich, dass ich das super finde. Aber, um ehrlich zu sein, bin ich das nicht wirklich. Eigentlich passt es mir gar nicht, dass mir andere nur deshalb zuhören, weil ich eine Funktion innehabe. Viel lieber wäre es mir, wenn allen Lehrlingen zugehört wird und dass die Probleme der Lehrlinge nicht nur über mich angesprochen werden würden. Denn von selbst fragt uns im Großen und Ganzen niemand. Erst wenn wir anfangen, laut zu werden, wird uns zugehört. Eine Vertretung der Lehrlinge ist ein gutes System und ich bin froh darüber, dass dieses System in meiner Firma existiert, denn in vielen anderen Firmen fehlt das. Trotzdem werden Lehrlinge oft unfair behandelt und als die „kleinen“ dargestellt. Ich versuche das aktiv zu verändern indem ich mein Recht auf Betriebsratssitzungen nutze und dort laut bin.

Schule

Wie in jeder anderen Schule, gibt es auch in der Berufsschule eine Schüler_innenvertretung. Doch wie genau dieses System in der Berufsschule abläuft, ist leider oft mehr als unfair.

An meinem ersten Tag in der Berufsschule hatte ich für mich bereits beschlossen, dass ich als Schulsprecherin kandidieren will. Ich kannte die Wahlen für die Schüler_innenvertretung nur aus dem Gymnasium, das ich vorher besuchte. Dort wurden jedes Jahr Hearings veranstaltet, bei denen sich die Kandidat_innen vorstellten. Also schrieb ich mir eine Rede, in der ich meine Pläne vorstellen wollte.

Nach ein paar Tagen wurde ich zur Klassensprecherin gewählt und bekam von meinem Klassenvorstand gleichzeitig das Datum für die Wahl der Schulsprecher_in. Das Ganze lief in meinen Augen ziemlich absurd ab. Es wurden alle acht Klassensprecher_innen eingeladen, die sich zusammen in einem Raum einfanden. Der Direktor kam herein und teilte Zettel aus, auf denen die Namen der Klassensprecher_innen standen. Er sagte zu uns wir sollen jetzt wählen und wieder zu ihm kommen wenn wir fertig sind. Im ersten Moment war ich unglaublich verwirrt. Ein älterer Schüler riss mich aus meinen Gedanken und fragte, wer denn Lust habe Schulsprecher_in zu werden. Ich zeigte auf und sagte, dass ich die Aufgabe gerne übernehmen würde. Er fragte nach meinen Namen, alle machten ein Kreuz bei diesem und die Wahl war vorbei.

Dieses System ist mehr als nur undemokratisch. Nur Klassensprecher_innen dürfen wählen und sind wählbar. Die Wahl läuft nicht geheim ab und ist unter Ausschluss der restlichen Schulegemeinschaft. Das wiederspricht jeglichen Wahlregeln, die es gibt.

Dabei wollte ich es nicht belassen. Also regte ich mich bei meinem Direktor darüber auf und erklärte ihm, dass er die Wahl rechtlich nicht auf diese Art durchführen dürfte. Doch auch bei ihm stieß ich auf kein offenes Ohr. Das einzige, was er dazu zu sagen hatte, war: „Für andere Wahlen haben wir keine Zeit!“. Mir wurde sehr schnell klar, dass es nur Schulsprecher_innen gibt, weil es halt sein muss. In der Berufsschule haben die Schüler_innen kaum eine Chance auf die Verbesserung ihres Alltages. Die meisten versuchen es leider auch nicht, da sie einfach ihre 10 Wochen hinter sich bringen wollen. Und wer kann ihnen das verübeln? Aber trotzdem: ich war und bin keine, die einfach ihre Zeit in der Berufsschule „absitzt“ und nur auf das Ende wartet. Im Gegenteil, wenn wir laut genug sind, wird uns auch früher oder später zugehört und das ist der Grund, warum ich weiter kämpfe. Eine kleine Verbesserung konnte ich schon erreichen, an meiner Schule gibt es jetzt zumindest regelmäßige Schulgemeinschaftsausschüsse (SGA) in denen auch die Schulsprecher_innen eingeladen werden.

Wenn auch wir Berufsschüler_innen uns auf unsere Rechte berufen und nur laut genug sind können wir Verbesserungen erreichen.

Sophia Steixner ist sowohl in Schule als auch Beruf in der Interessenvertretung aktiv Foto: AKS Tirol
Sophia Steixner ist sowohl in Schule als auch Beruf in der Interessenvertretung aktiv