21. April 2016
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Viel Wahl, wenig Auswahl?

Heinz Fischers Amtszeit ist nach nun 12 Jahren ausgelaufen und sechs neue Kandidat_innen stellen sich der Wahl zum Bundespräsidenten/zur Bundespräsidentin am 24. April - manch eine_r unabhängiger als die anderen. Die folgenden Zeilen befassen sich mit dem privaten sowie politischen Werdegang und Grundpositionen der Kandidat_innen und sollen einen groben Überblick bieten.

Wahlen sind ein zentrales Element der repräsentativen Demokratie. Der_die Bundespräsident_in ist jedoch die einzige Repräsentationsfigur des Gesamtstaates, welche direkt demokratisch gewählt wird. Die Funktionsperiode des Amts wechselt alle sechs Jahre, Bewerber_innen können jedoch bei zwei aufeinanderfolgenden Bundespräsident_innenschaftswahlen antreten. Das Amt wird gewählt auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechtes der österreichischen Staatsbürger_innen, die das dafür erforderliche Wahlalter erreicht haben.

Die Präsident_innenschaftswahl ist eine Persönlichkeitswahl. Dennoch sollten die unterstützenden Kräfte der Kandidat_innen (Parteien, offizielle Unterstützer_innen) – vor allem in Zeiten mit gewaltigem Rechtsruck in ganz Europa – berücksichtigt werden. Hilfreich ist ebenfalls eine Einteilung der Kandidat_innen in ein Rechts-Links-Schema, wie hier im Standard. Trotzdem darf diese Einteilung nicht über die Komplexität von politischen Einstellungen hinwegtäuschen.

Deswegen stellen wir hier die Kandidat_innen noch einmal genauer vor:

Alexander Van der Bellen
– 18. Jänner 1944, Wien, russisch-estnischer Herkunft

– aufgewachsen im Kaunertal, Tirol
– studierte Volkswirtschaftslehre in Innsbruck
– ursprüngliches SPÖ-Mitglied
– 11 Jahre lang Bundessprecher der Grünen

Die Vermutung auf eine Kandidatur Van der Bellens als Bundespräsident wurde durch die Hochzeit mit Doris Schmidauer, der Geschäftsführerin der Grünen, Ende Dezember 2015 bekräftigt – denn im konservativen Österreich stehen die Erfolgschancen für ein öffentliches Amt mit einem traditioneller wirkenden Privatleben erfahrungsgemäß leider doch besser.

Die Jungen Grünen stehen der Kandidatur Van der Bellens kritisch gegenüber: primär da am Bundeskongress 2016 über eine Unterstützung Van der Bellens nicht abgestimmt wurde, sein Wahlkampf jedoch mit einer grünen Kampagne und Organisation geführt wird. Somit wurde das Demokratieverständnis der Partei weitgehend missachtet. Zu berücksichtigen ist aber, ob die (Un-)Abhängigkeit eines_einer Kandidat_in wirklich ausschlaggebend sein sollte für eine Stimmabgabe – und nicht viel mehr seine_ihre ideologischen Motive. Doch auch hier kritisiert die grüne Jugendorganisation: Van der Bellen vertrete in Wirtschaftsfragen neoliberale bis rechte Positionen, sei für den Eintritt von Studiengebühren und stelle seine ökonomischen Ansichten durch seine universitäre Ausbildung als Wissenschaft und nicht als politische Einstellung dar.

In allen Umfragen liegt Van der Bellen mit 42% der zwischen 16 und 29-Jährigen vorne. Als ein Grund dafür zählt der hohe persönliche Sympathiewert. Er gilt als bedachter, unkonventioneller Kandidat, der mit seinem Motto, einem Auszug aus der Bundeshymne, „Mutig in die neuen Zeiten“ für Fortschritt und Vertrauen in die Kraft der „Heimat“ plädiert. Er ist ein Befürworter der europäischen Idee, weigert sich HC Strache (Obmann FPÖ) nach einem potentiellen Wahlsieg mit der Regierungsbildung zu beauftragen und bezeichnet sich als Feminist

Rudolf Hundstorfer
– 19. September 1951, Wien
– Lehre als Bürokaufmann
– Externist_innenmatura
– ab 2007 ÖGB-Gewerkschaftsfunktionär
– von Dezember 2008 bis 2016 Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsument_innenschutz

Der 64-Jährige ist der einzige Kandidat, der eine Lehre absolvierte, er legte jedoch seine Matura später am Abendgymnasium ab. Er begann seine berufliche Karriere bei der Stadt Wien, wo er zum Bürokaufmann ausgebildet und schon mit 16 Jahren zur Jugendvertrauensperson beim Magistrat wurde.

Seit den frühen 70er Jahren engagierte er sich in der Gewerkschaft, zuletzt war er bis zu seiner Ernennung als Sozialminister Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Im Laufe seiner politischen Karriere setzte er sich für Arbeiter_innen und Konsument_innenrechte, zB für den Ausbau des Sozialstaates ein. Bekannt ist er wegen seiner ruhigen Art, die ihn in Verhandlungen zB zu Steuer- und Pensionsreform viel Lob von Gewerkschafts- beziehungsweise Senior_innenseite einbrachten.

Im Wahlkampf versuchte er die Regierungslinie in der Flüchtlingspolitik zu verteidigen, liegt er doch politisch auf einer Linie mit seinem Parteichef Werner Faymann. Er sieht die Obergrenze als Richtwert, die zeigen solle, was Österreichs Aufnahmekapazitäten seien.

Hundstorfer bezeichnet seine neun Monate Grundwehrdienst als „unnötige Zeit“, ob er eine Regierung unterstützen würde, die sich für eine Abschaffung desselben einsetzen würde, ließ er allerdings im ATV-Interview offen.

Kontroversen provozierte die Enthüllung, dass Hundstorfer bei seiner eigenen Kampagne angestellt wurde, was ihm ein monatliches Gehalt von über 13.000€ einbringt.

Irmgard Griss
– 13. Oktober 1946, Steiermark
– maturierte an einer Handelsakademie in Graz
– freie Mitarbeiterin im Landesstudio Steiermark des Österreichischen Rundfunks
– 1993 Richterin am Obersten Gerichtshof
– 2010, 2011 Präsidentin des Netzwerkes der Höchstgerichtspräsidenten der Europäischen Union

Die Steirerin hat Jus in Graz, Paris und Harvard studiert. Ihre Richterinnenkarriere ist durchaus ansehnlich, hat sie doch alle wichtigen Rechtsinstitutionen in Österreich durchlaufen. So war sie von 1993 an Richterin des Obersten Gerichtshofes und wurde schließlich 2007 dessen Präsidentin. Seit 2008 ist sie zudem Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes. In der Zeit von 2005 bis 2010 war sie außerdem Vorsitzende des Universitätsrates in Graz.

Ihre wichtigste Tätigkeit seit ihrer Pensionierung im Jahr 2011 war wohl ihre Berufung zur Leitern der Hypo-Untersuchungskommission. Ihr dabei nüchternes Auftreten verhalf ihr zu öffentlicher Aufmerksamkeit. Dieses „saubere“ Image wurde nur gestört durch das nachträgliche Bekanntwerden der Tatsache, dass alle Gesprächsprotokolle vernichtet wurden.

Die 69-Jährige Griss tritt als unabhängige Kandidatin an, wird aber finanziell und durch Personal von den NEOS unterstützt. Sie gilt als liberale Christin und hat ein 21-Punkte-Programm veröffentlicht, in welchem sie ihre Forderungen festhält. Dort will sie zum Beispiel ein Schulfach „Kritisches Denken“ einführen und Unternehmensgründungen erleichtern. Ob sie als Juristin weiß, dass sie als Bundespräsidentin solche Kompetenzen gar nicht hat, muss sie wohl erst erklären. Außerdem wirft sie der österreichischen Regierung Rechtsbruch vor, da diese nicht alle Flüchtende registriert hätte; hier bewegt sich die einzige Frau unter den Kandidat_innen sehr nahe an der FPÖ Argumentationslinie.

Andreas Khol
– 14.Juli 1941, Deutschland – in Tirol aufgewachsen
– Rechtswissenschaften in Innsbruck studiert
– 2002-2006 Präsident des österreichischen Nationalrats
– seit 2005 Obmann des ÖVP Seniorenbundes
– Plan B Kandidat der ÖVP nach Absage von Erwin Pröll

Der Jurist trat während seines Studiums in eine katholische Burschenschaft ein, arbeitete später im Europarat und kam schließlich 1983 als Abgeordneter der ÖVP in den Nationalrat. Von 1994 bis 1999 und 2000 bis 2002 war er zudem Klubobmann seiner Partei, als deren möglicher Chef er im Jahr 1995 diskutiert wurde. Statt der konservativen Option Khol wurde jedoch der wirschaftsliberale Wolfgang Schüssel Parteiobmann, was einer politischen Freund_innenschaft der beiden jedoch nie im Wege stand. Gemeinsam gelten sie als Wegbereiter für die Schwarz-Blaue Koalition von 2000-2006.

Khol ist innerhalb der ÖVP dem konservativ-katholischen Flügel zuzurechnen. Vor allem seine Aussagen zur Waldheim-Affäre sind als geschichtsverfälschend und verharmlosend zu bezeichnen. Kurt Waldheim wurde 1986 trotz seiner nationalsozialistischen Vergangenheit österreichischer Präsident. In einem Buch aus dem Jahr 1987 behauptet er: „So wie Österreich als Land, so war auch Kurt Waldheim Opfer des Nationalsozialismus.“ Die sogenannte Opferthese war in Österreich lange verbreitet und gesellschaftlich akzeptiert, wird aber von Historiker_innen schon lange als falsch angesehen. So waren zum Beispiel überproportional viele KZ-Wärter_innen aus Österreich. Für Khol war der SA-Mann und Mitwisser von Kriegsverbrechen ein „Ehrenmann“; „Mitwissen heißt nicht Schuld“, meint Khol.

Der 74-Jährige ist übrigens dafür, Gott in die österreichische Verfassung zu schreiben.

Norbert Hofer
– 2.März 1971, Burgenland
– Matura an HTBLA-Burgenland in der Fachabteilung Flugtechnik
– Ehrenmitglied bei einer Schülerverbindung (Burschenschaft) „Marco Germania“
– Vizeobmann der FPÖ
– derzeit 3. Nationalratspräsident

Als Norbert Hofer in die Politik einstieg, war er zuerst Stadtparteiobmann, Wahlkampfleiter und Organisationreferent der FPÖ Burgenland in Eisenstadt bis ihm 2005 Strache zum stellvertretenden Obmann verhalf.
Er wirkt zurückhaltender als seine Wahlkampfgegner_innen, in Diskussionen sehr unauffällig, souverän und sachlich, aber gibt ausweichende Antworten zu vor allem Vorwürfen wegen hetzerischer Aussagen. Das gegenteilige Verhalten zeigt sich bei diversen Live-Übertragungen seiner Wahlkampftour. Hofer zeigt sich heroisch und als „Schutzherr“ Österreichs, er möchte das Bundesheer-Budget verdoppeln, mehr direkte Demokratie nach Schweizer Modell und niemanden als Ministerin angeloben, die eine Burka trägt.
Als einziger Kandidat unterzeichnete er nicht das von Van der Bellen vorgeschlagene Fairnessabkommen mit der Begründung „er mache ein Fairnessabkommen mit der Bevölkerung“. Auf seinem Wahlplakat wird Hofer bereits als Bundespräsident betitelt, dieser Titel ist jedoch laut Paragraf 61 gesetzlich geschützt und darf ausschließlich vom amtierenden Staatsoberhaupt benützt werden. Weiters bezeichnet Hofer Van der Bellen als „faschistischer grüner Diktator“, weil er keine FPÖ geführte Regierung angeloben würde. Hofer spricht jedoch selbst davon die jetzige Regierung als Bundespräsident vermutlich wegen Unfähigkeit abzusetzen.
Die Burschenschaft in der Hofer Ehrenmitglied ist, hat ein gespaltetes Verhältnis zu Österreich: laut einer Festschrift aus dem Gründungsjahr 1945 „lehnt die Burschenschaft die geschichtswidrige Fiktion einer ‚österreichischen Nation‘ ab, die seit 1945 in den Gehirnen der Österreicher festgepflanzt worden“ sei.

Richard Lugner

Über diesen Kandidaten muss man wenig sagen, so bekannt ist er. Er hat kurz nach der Matura ein Baugewerbe angemeldet, wurde dadurch reich (mittlerweile soll er finanzielle Probleme haben) und berühmt, hat Fernseh-Shows, lädt Kim Kardashian zum Opernball ein und tritt dieses Jahr zum zweiten Mal nach 1998 zur Bundespräsident_innenwahl an. Letztes Mal hat er 9,9% erzielt, in den Meinungsumfragen liegt er deutlich darunter.

Seine politischen Forderungen hat er in diesen Rap verpackt. Er sieht sich selbst als Kasperl, der durch sein nicht ganz ernstes (und ernstzunehmendes) Auftreten einen Vorteil gegenüber den anderen Kandidat_innen habe.

 

Laut Verfassung ist der_die Bundespräsident_in die höchste Instanz der Republik und 40 Kompetenzen sind im Bundesverfassungsgesetz (BV-G) für dieses Amt geregelt. Essentiell ist die repräsentative Arbeit und das Setzen von diplomatischen Akzenten, sowie politischer Professionalismus und bedachte Neutralität gegenüber den Parteien.
Nehmt das Recht zu wählen wahr, denn eine Demokratie funktioniert nicht ohne Wähler_innen und Wahlverweigerung bringt nur wenig.

407 Jahre sind die 6 Kandidat_innen zusammen alt. Hat die österreichische Politik ein Nachwuchsproblem? Foto: webstein.ch
407 Jahre sind die 6 Kandidat_innen zusammen alt. Hat die österreichische Politik ein Nachwuchsproblem?