13. Januar 2024
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Lieferkettengesetz: Globale Verantwortung der EU

NGOs fordern es schon seit Jahren, den Wirtschaftskammern geht es zu weit. Das
Lieferkettengesetz auf EU-Ebene ist jetzt beschlossen. Was vorerst abstrakt klingen mag, stellt sich als global wirkendes Gesetz heraus, das eine Kehrtwende im europäischen Wirtschaften bedeuten könnte.

T-Shirt “made in Bangladesh”, Kaffee aus Costa Rica und Handyakkus produziert in China. Ein Großteil der Waren, die wir in Europa konsumieren, kommt aus anderen Teilen der Welt.

Transnationale Konzerne mit langen, verworrenen Lieferketten bestimmen den Markt und die Produktion westlicher Unternehmen wird seit Jahrzehnten vermehrt in den Globalen Süden ausgelagert.

Die Vielzahl an Labels und Gütesiegeln am Markt und intransparente Lieferketten führen schnell dazu, dass es für Konsument_innen immer schwieriger wird, ganz bewusste und voll informierte Kaufentscheidungen zu treffen. Gleichzeitig wird aber genau diese große, globale Verantwortung gerne an Einzelpersonen abgegeben. Mensch erinnere sich nur an den ökologischen Fußabdruck, der vom Öl-Konzern-BP groß gemacht wurde, um von der eigenen Unternehmensverantwortung abzulenken.

Ein EU-Lieferkettengesetz soll dem jetzt entgegenwirken und dafür sorgen, dass öko-soziale Standards auf die gesamte Wertschöpfungskette der großen Unternehmen, die ihre Produkte in der EU verkaufen, ausgeweitet werden. „Wir habe Kriterien für unsere eigene Produktion und müssen dafür Sorge tragen, dass wir das schmutzige Geschäft nicht auslagern und die Produkte importieren,“ positioniert sich Thomas Waitz, ein österreichischer EU-Abgeordneter der Grünen, dazu. Das EU-Gesetz soll also zur Verhinderung von Kinderarbeit, Sklaverei, Arbeitsausbeutung, Umweltverschmutzung, Umweltzerstörung und dem Verlust von Artenvielfalt beitragen.

Finaler Beschluss des EU-Lieferkettengesetzes

Nach den Verhandlungen um das Lieferkettengesetz auf EU-Ebene haben sich jetzt die EU-Kommission, der EU-Ministerrat und das EU-Parlament auf einen gemeinsamen Gesetzestext geeinigt. Grundsätzlich müssen sich Unternehmen in der EU, die mehr als 500 Mitarbeiter_innen haben und 150 Millionen Euro Jahresumsatz machen, an das Gesetz halten. Nicht-EU-Unternehmen, die aber einen Umsatz von mehr als 300 Millionen Euro in der EU machen, sind ebenfalls betroffen. Der Finanzsektor, der durch Kreditvergabe großen Einfluss auf die Wirtschaft hat, ist aus dem Gesetz, wie vom Ministerrat gefordert, ausgenommen.

Für eine „Schwächung der Stärke Europas“ hält das Gesetz Lukas Mandl, ÖVP-Abgeordneter im europäischen Parlament. Laut ihm greife das Lieferkettengesetz zu sehr in die Wirtschaft ein. Als alternative Möglichkeit, Sozial- und Umweltstandards zu fördern, sieht er EU-Investitionen in Drittstaaten im Sinne von „Hilfe zu Selbsthilfe“.

Positionen der Kammern

Während die WKO weiters das Problem eines bürokratischen Mehraufwandes für kleine und mittelgroße Betriebe sieht, geht die AK von überwiegend positiven Effekten des Gesetzes aus. Arbeitnehmer_innen im globalen Süden würden beispielsweise gestärkt werden, da sie mit fairerer Entlohnung rechnen könnten. Gleichzeitig würden die Produkte in Europa meist nicht merklich teurer werden, da die Löhne nur einen kleinen Teil der Preise ausmachen.

Dieses Gesetz ist ein Beispiel dafür, welche große Bedeutung EU-Gesetze haben können. Die EU-Wahlen im Frühling 2024 kommen immer näher, weswegen es jetzt an der Zeit für alle Wahlberechtigten ist, sich für EU-Politik zu interessieren und weiter durch ihre Stimme die Zukunft Europas mitzubestimmen.

dpa/Christian Charisius Foto: dpa/Christian Charisius