I’ll make a man* out of you
Als Mann* ist es in dieser emanzipierten Welt oft nicht so leicht. Deshalb gibt es im November gleich zwei Tage, an denen Männer* gefeiert werden sollen. Am 3. November ist der Weltmänner*tag, knapp zwei Wochen danach, am 19. November findet der internationale Männer*tag statt. Über die Frage, ob auch nur eine dieser beiden Tage notwendig ist, scheiden sich die Geister.
Typisch Mann*
Tatsache ist, auch wenn eine Reihe von emanzipatorischen und feministischen Bewegungen, dafür gesorgt hat, dass es zu Neudefinitionen der „Durchschnittsfrau*“ und des „Durchschnittsmanns*“ kommt, zeigt die Gesellschaft immer noch wenig Akzeptanz für einen Mann*, der* sich gleichzeitig wie ein menschliches Wesen verhält.
Noch immer gibt es klare Vorstellungen, wie ein Mann* zu sein hat:
- Ein Mann* darf unter keinen Umständen eine andere Emotion als Wut zeigen, denn Wut und Aggression sind offenbar Zeichen der Stärke und Dominanz, während Gefühle wie Trauer oder Verzweiflung als schwach und nicht wünschenswert angesehen werden.
- Ein Mann* wird auch immer anhand seiner körperlichen Stärke bewertet. Wer kennt nicht aus der Schule den Satz: „Ich brauche jetzt mal bitte zwei starke Männer*, die mir beim Tragen helfen.“
- Ein Mann* will nur das eine, nämlich Geschlechtsverkehr. Gefühle wie Liebe, Zuneigung und Geborgenheit, sind für einen Mann* in einer Beziehung nicht von Wert. Gleichzeitig muss der Mann* auch die führende Rolle, in der selbstverständlich ausschließlich heterosexuellen Beziehung, einnehmen.
- Ein Mann* sollte sich unter keinen Umständen gepflegt und überlegt anziehen oder auf sein* Äußeres achten. Stattdessen sollte er lieber zwei Wochen lang die gleichen Klamotten tragen, seinen* Bart länger als notwendig behalten und auf keinen Fall an Körperpflege, wie zum Beispiel durch Duschen, Rasieren oder Parfümieren, denken.
Sollte ein Mann* gegen eine oder mehrere dieser „Richtlinien“ verstoßen, wird er folglich von seinen Kameraden* als Weichei oder Memme beschimpft und fortan nicht mehr im gleichen Maße ernst genommen.
Stereotype und Verhaltensmuster
Durch die Propagierung solcher und ähnlicher Regeln, werden schon im Kindesalter Geschlechtsstereotype und Verhaltensweisen antrainiert, die dann im Erwachsenenalter nur mehr selten kritisch hinterfragt oder überdacht werden.
Sehen wir uns das anhand eines Beispiels mithilfe der Kinder Anna und Tom an:
Situation: Das Kind ist beim Spielen gestolpert, hat sich verletzt und sitzt nun weinend auf dem Boden.
Reaktion: „Um Gottes Willen, Anna. Geht es dir gut? Bist du verletzt? Komm, wir werden die Wunde jetzt verbinden und danach bekommst du ein Eis.“
Fazit für Anna: „Es ist in Ordnung, wenn ich Emotionen wie beispielsweise Trauer oder generelle emotionale Schwäche zeige. Auch in Zukunft werde ich weiterhin keine Angst davor haben, diese Gefühle zu zeigen.
Reaktion: „Du meine Güte, Tom. Jetzt hör aber ‚mal auf zu weinen. Die Wunde ist ja überhaupt nicht tief, so weh kann das also nicht getan haben. Hör auf, dich wie ein Mädchen zu verhalten.“
Fazit für Tom: „Es ist mir nicht erlaubt, meine Gefühle offen zu zeigen oder in irgendeiner Form nach Hilfe zu fragen. In Zukunft werde ich keine Emotionen außer Wut zeigen und die Hilfe anderer Menschen von Grund auf ablehnen.
Männlichkeit* – kritisch, fragil oder beides?
Selbstverständlich erfolgt ein solches Fazit nicht sofort nach dem einmaligen Eintreten einer solchen Situation, es braucht mehrere Wiederholungen, bevor das Verhalten verinnerlicht wird. Der Prozess der Verinnerlichung geht in diesem Fall Hand in Hand mit einem großen Maß an Angst für die betroffenen Männer*.
„Wie werden meine Freunde* reagieren, wenn ich vor ihnen Emotionen zeige? Werden sie mich aus der Gruppe werfen? Werde ich beleidigt oder ausgelacht werden?“
Auch wenn Männer* dazu erzogen werden, gefühllos, stark und furchtlos zu sein, sie* haben trotzdem Angst. Sie fürchten sich davor, von anderen Menschen als „nicht männlich* genug“ wahrgenommen zu werden. Aus dieser Angst entsteht dann ein Teufelskreis.
Die Macht der (sozialen) Medien
In der heutigen Gesellschaft kommt in diesem Zusammenhang noch erschwerend dazu, dass kritische Männlichkeit auch von den Medien propagiert wird.
Boulevardzeitschriften und Nachrichtensender berichten regelmäßig von Rechtsverfahren, bei denen Männer* auch trotz mehrerer Beweise auf sexualisierte Gewalt freikommen.
Männliche* Stars, die sich femininer oder androgyn zeigen, werden in den Medien bedroht und als Frauen* „beschimpft“, als ob es das Schlimmste auf der Welt wäre.
Auch in Filmen oder Serien gibt es oft Charaktere, deren größte Charaktereigenschaft ihre kritische Männlichkeit* ist. Biff Tannen aus den „Zurück in die Zukunft“-Filmen ist ein sehr eindeutiges Beispiel dafür. Doch es gibt auch andere Charaktere, deren kritisches Verhalten nur dann deutlich wird, wenn eins sich wirklich konkret mit dem Thema Feminismus befasst. Nehmen wir zum Beispiel Sheldon, Leonard, Howard und Rajesh aus der Serie „The Big Bang Theory“. Auf den ersten Blick scheinen sie alle unproblematisch zu sein, tatsächlich verhalten sie sich aber oft kritisch. Sie sind überrascht, wenn eine Frau* sich für Videospiele interessiert, nehmen von vornherein an, dass Frauen* keine Ahnung von Wissenschaft haben und behandeln die Frauen* mit denen sie in Kontakt stehen nicht wirklich als Freundinnen* oder Beziehungspartnerinnen*.
Natürlich kann die Charakterisierung dieser Personen auch als eine Art sozialer Kommentar über die verschiedenen Aspekte kritischer Männlichkeit* verstanden werden. In diesem Fall sollten aber sowohl die Gesellschaft als auch die betroffenen Medien diese Szenen reflektieren und über das Verhalten der Personen diskutieren, anstatt nur das Lachen der nicht-existenten Zuschauer*innen abspielen zu lassen.