Psychotherapie auf Krankenschein – Utopisch oder realistisch?
Wie ist das denn wenn man mal statt dem gesellschaftlich tolerierten „Auweh“ ein psychisches Problem hat? Und warum werden diese beiden Kategorien eigentlich im System immer noch voneinander strikt getrennt?
„In Österreich haben’s wir ja gut. Wir haben ein gut ausgebautes Gesundheitssystem. Nicht so wie die in Amerika!“, sagte mal meine Oma zu mir und hatte dabei ja eigentlich recht. Aber ist unser sogenannter „Sozialstaat“ denn wirklich so „sozial“?
Gesellschaftlich gesehen sind psychische Erkrankungen immer noch, vor allem bei älteren Generationen ein unglaublich schwieriges Thema. Obwohl Medien Aufklärungsarbeit leisten und man spätestens, nachdem der vierte Angestellte aus dem Dorf ins Burnout gegangen ist, weiß, dass vielleicht doch nicht nur die „Verrückten“ mal eine Therapie brauchen, macht die Öffentlichkeit immer noch einen weit größeren Bogen um diese Thema als sie eigentlich sollte. Denn was ist eigentlich genau der Unterschied zwischen einer körperlichen Erkrankung und einer psychischen?
Bei einer psychischen ist der Krankheitsverlauf oft länger, jedoch gibt es auch unzählige langwierige physische Erkrankungen wie z.B. Krebs oder alle chronischen Erkrankungen. Die Schwierigkeit liegt vielleicht viel eher darin, dass viele sich nicht in Personen hineinversetzen können, die am Morgen nicht aus dem Bett kommen und mittags einen Wutanfall a la Kleinkind bekommen ohne jegliche Kontrolle darüber zu haben. Das Unverständnis beginnt viel eher bei der Schuldfrage. Ein Mensch ohne psychische Schwierigkeiten besitzt nämlich über die meisten Lebensbereiche diese Kontrolle. Schwierig ist dann zu verstehen wie eine Krankheit diesen Verlust verursachen kann. Es macht aber einen gewaltigen Unterschied, ob jemand nicht aus dem Bett steigt um in die Arbeit zu gehen, weil er oder sie es selbst so entscheidet – mit allen möglichen Konsequenzen, oder ob jemand aufgrund einer Depression gar nicht dazu in der Lage ist. Der Punkt ist nämlich, dass eine psychische Erkrankung und die damit verbundenen hormonellen und strukturellen Veränderungen im Gehirn, die nachweislich vorkommen, diese ungewollten Verhaltensweisen verursachen. Deshalb wird es auch Erkrankung genannt: Weil der Mensch der an dieser leidet wenig bis keinen Einfluss darauf hat!
Und deshalb sollte die Psyche auch genauso wichtig sein wie der Körper, denn ohne würde niemand von uns funktionieren.
Um das Ganze noch mehr zu verdeutlichen folgt hier ein Bild das den Gehirnscan eines_einer gesunden Patient_in_in mit dem eines_einer an Depressionen leidenden Patient_in vergleicht.
Abbildung 1: Quelle: jmu.edu
Laut dem Hauptverband der Sozialversicherungen Österreich haben sich im Jahr 2017 900.000 Menschen in psychologische Hilfe begeben. Ausgehen kann man aber laut Manfred Stelzig, Leiter Sonderauftrags für psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Salzburg von 1,2 Millionen Menschen. Diese Zahlen stammen aus einem Artikel des „Standards“ aus dem Jahr 2013. Aktuelle Statistiken die das Ausmaß aller psychisch erkrankten Österreicher_innen angeben, gibt es nicht. Anscheinend kein Thema das in Österreich als wichtig genug angesehen wird.
Kinder und Jugendliche
Bei Kindern und Jugendlichen sieht die ganze Sache anders aus. Hierzu findet man eine Studie aus dem Jahr 2017, die im Buch „European Child & Adolescent Psychiatry“ zu finden ist. Diese gibt an das in Österreich etwa 23,93% aller Kinder und Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren an einer psychischen Erkrankung leiden. Das ist fast jede_ r Vierte.
Das Sonderfach Kinder und Jugendpsychiatrie existiert dabei im Kontrast dazu erst seit 11 Jahren. (Quelle: „Meduniwien“)
Therapie! Aber wer bezahlt’s?
Hat man nun also sein Dilemma akzeptiert und möchte sich Hilfe suchen, steht man bereits vor der nächsten Schwierigkeit. Denn wie viel kostet eigentlich so eine Therapie? Eine Therapie kostet in Österreich tatsächlich pro Stunde zwischen 80 und 120 Euro. Bei einem Stundenausmaß von einmal die Woche ergeben das also mindestens 320 Euro im Monat. Klingt viel? Ist es auch. Vor allem für junge Menschen die vielleicht gerade mitten im Studium, der Schule oder auf Arbeitssuche sind.
Bei niedergelassenen Therapeuten und Therapeutinnen gibt es in Österreich die Möglichkeit einer Teilfinanzierung seitens der Krankenkasse. Um eine solche zu erhalten, muss man sich zuerst einer ärztlichen Untersuchung unterziehen und dies noch vor der zweiten Therapiesitzung. Wird eine solche finanzielle Unterstützung bewilligt, bekommt man für Einzeltherapiesitzungen die 50 Min. andauern 21,80 Euro erstattet. Bei Stunden im Ausmaß von 25 Min., beträgt der Kostenzuschuss 12,72 Euro. (Quelle: PsyOnline.at)
Das funktioniert folgendermaßen: Man bekommt für jede Stunde von seiner_seinem Therapeuten_in das Honorar mit dem man danach zur Gebietskrankenkasse geht und dieses abgibt. Die Krankenkasse überweist danach den Betrag. Dies kann aber auch mehrere Tage bis Wochen dauern. Eine genaue Diagnose muss der Hausarzt oder die Hausärztin für diese Art von Finanzierung übrigens nicht stellen.
Mit 232,80 Euro muss sogar beim billigsten Tarif und trotz Teilfinanzierung trotzdem gerechnet werden.
Andere Alternativen
Neben den Sozialversicherungen gibt es auch noch andere Möglichkeiten eine Therapie leistbarer zu machen. Manche Therapeut_innen etwa bieten Therapieplätze über einen sogenannten Sozialtarif an. Dies ist für Menschen mit geringem, bzw. keinem Einkommen geeignet und bedeutet die Reduktion der Kosten von Seiten des Therapeuten oder der Therapeutin. Um an diese zu gelangen, sollte man sich im Internet auf den jeweiligen Websites der Therapeut_innen informieren und sich anschließend mit diesem_dieser in Verbindung setzen. Es gibt auch die Möglichkeit sich an jemanden „unter Supervision“ zu wenden. Das bedeutet, dass sich die Therapeut_innen gerade in der letzten Phase ihrer Ausbildung befinden.
Hier muss man zwar mit geringeren Preisen rechnen, jedoch auch mit sehr jungen unerfahrenen Therapeut_innen. Dies soll aber nicht heißen, dass die Qualität der Therapie unbedingt schlechter sein muss.
Ein weiterer Tipp speziell für Personen aus Niederösterreich: Macht man die Therapie in Wien, kommt man meistens schneller an einen Platz. Informationen darüber gibt es beim Verein für ambulante Psychotherapie.
Psychotherapie auf Krankenschein
Es gibt natürlich auch noch die Möglichkeit in Österreich Psychotherapie als Sachleistung zu beanspruchen. Die Voraussetzungen für einen solche sind recht ähnlich wie bei einer Teilfinanzierung. Man benötigt eine Sozialversicherung, und muss unter einer psychischen Erkrankung leiden. Auch hier muss man einen ärztlichen Nachweis vorweisen können und ab einer Finanzierung von über 80 Stunden, muss eine Diagnose von einem_einer Psycholog_in gestellt werden. Diese Diagnose wird zwar von der KK finanziert, die Wartedauer für einen Termin beträgt jedoch mehrere Monate.
Zu dieser Leistung, gibt es in Österreich, keine einheitlich Regelung auf Bundesebene. Das bedeutet, dass jedes Bundesland selbst entscheidet wie die Vollfinanzierung, und ob sie überhaupt von den Versicherungen gehandhabt wird. Es gibt also niedergelassene Therapeut_innen in Österreich bei denen es eben möglich ist, die 21,80 Euro zurückerstattet zu bekommen, und dann gibt es auch Therapeut_innen mit freien Kassenplätzen, also mit welchen die vollfinanziert sind. Dies ist aber auch nicht in jedem Bundesland der Fall. In Kärnten beispielsweise, ist man auf soziale Vereine wie die AVS (Arbeitervereinigung der Sozialhilfe Kärntens) oder die Caritas angewiesen.
In Niederösterreich wendet man sich am besten an die „Clearingstelle für Psychotherapie“ die es seit 1.Jänner 2013 gibt. Auf dieser Website findet man gleich eine Telefonnummer, die man wählen kann um erste Informationen für einen eventuellen Kassenplatz zu bekommen. Als ich dort anrief, kam ich beim 5. Mal durch und wurde von einer unglaublich netten Dame beraten. Die Informationen die ich dort bekam, waren sehr ausführlich, jedoch auch ernüchternd. Für einen vollfinanzierten Therapieplatz, beträgt die Wartezeit in NÖ etwa zwischen 4 und 6 Monaten. Da frage ich mich, für wen genau sind diese Therapieplätze denn eigentlich vorgesehen? Denn meines Wissens, benötigen psychische Erkrankungen sofortige Hilfe, um nicht schlimmer, oder sogar chronisch zu werden.
Dann also lieber doch selber für die Therapie zahlen? Fragt sich nur wie viele derjenigen die Hilfe benötigen, sich diese auch leisten können. Denn sind es nicht oft Menschen in psychischer Not, die daraufhin arbeitsunfähig werden, und weniger haben als alle anderen. Eine weitere Frage die sich stellt: Inwiefern hilft das der Gesellschaft? Unterstützt unser System nicht eigentlich die Ausgrenzung in ärmeren Schichten und den daraus resultierenden Kreislauf. Den Menschen geht es schlecht, sie können nicht mehr arbeiten, bekommen aber auch keine Hilfe, fallen noch tiefer in die Krankheit und zusätzlich in die Armut, da durch die fehlende Hilfeleistung des Staates auch keine Besserung eintritt.
Eine Tatsache an der dringend etwas geändert werden sollte.
Das Sozialversicherungsgesetz
Das Sozialversicherungsgesetz bildet die Grundlage für alle Sozialleistungen die wir vom Staat erhalten. Unser Krankenstand, Urlaubsgeld, der Arzt_Ärztinnenbesuch für den wir abgesehen in Form von Steuer nicht bezahlen müssen… Alles wird dort geregelt.
Etwas seltsam ist hierbei jedoch, dass wenn man etwas genauer recherchiert, man im ASVG Richtlinien findet die nicht so richtig mit der Realität übereinstimmen. Sucht man auf „Jusline.at“ nach „Psychotherapie“ findet man sofort einen Ausschnitt der wie folgt lautet: „In den Fällen der Inanspruchnahme einer Leistung eines Psychotherapeuten (Abs. 1 Z 3) hat der Versicherte an den Vertragspartner für Rechnung des Versicherungsträgers einen Behandlungsbeitrag in der Höhe von 20% des jeweiligen Vertragshonorares zu zahlen, wenn Gesamtverträge nach § 349 Abs. 2 bestehen.“
Dieser Paragraph behandelt Gesamtverträge, die zwischen Sozialversicherungen und Freiberuflichen Ärzt_innen üblich sind. Bedeutet also, dass man für jede Therapiesitzung bei einem Wahl-Arzt oder einer Wahl-Ärztin, 80 % des Honorars erstattet bekommen müsste.
Dieser Ausschnitt, ist sogar relativ aktuell, er wurde zuletzt am 3.08.2017 erneuert. Die Teilfinanzierung von 21 Euro und 80 Cent wurde jedoch seit dem Jahr 1992 nicht mehr erhöht. Im selben Jahr, also vor mittlerweile 26 Jahren, wurde auch beschlossen, Psychotherapie mit einer ärztlichen Behandlung gleichzusetzen. Hierbei handelt es sich um Fakten und Gesetze die alle im ASVG nachzulesen sind. Aus welchem Grund also, entspricht die Theorie so absolut nicht der Praxis?
Die Abgeordnete Dr. Eva Mückstein schreibt in einer Anfrage vom 8.06.2018 an das Parlament folgendes: „Die Krankenkassen reden sich auf die im Jahr 1999 gescheiterten Vertragsverhandlungen mit der Berufsvertretung der Psychotherapeutinnen (Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie/ÖBVP) aus. Seit nunmehr 17 Jahren weigert sich die Sozialversicherung mit diesem Argument, neue Vertragsverhandlungen aufzunehmen.“ Im Rahmen dieser Anfrage wurden mehrere Fragen rund um die Österreichische Situation in den letzten Jahren gestellt, die daraufhin teilweise vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger beantwortet wurden.
Alle Dateien bezüglich dieser Anfrage findet man auf „www.parlament.gv.at“.
Nachdem die Verträge, wie Mückenstein schildert, mit den Psychotherapeut_innen nun also gescheitert sind, musste natürlich eine andere Lösung her.
Seit dem Jahr 2000 gibt es deshalb die Möglichkeit, dass Vereine von Psychotherapeut_innen bei Krankenkassen bestimmte Stundenausmaße ansuchen, und diese dann aufbrauchen können.
Im Großen und Ganzen gibt es in Österreich durchaus Hilfe. Wenn auch nicht in dem Ausmaß, indem sie nötig wäre. Psychische Erkrankungen werden trotz aller Aufklärung immer noch tabuisiert, was dazu führt dass viele Menschen, sich erst gar keine Hilfe suchen. Dies, und die Trennung zwischen körperlicher und psychischer Krankheit im Gesundheitssystem (auch wenn es diese laut ASVG gar nicht geben sollte) sind Österreichs Hauptprobleme zu diesem Thema.
Psychotherapie als Sachleistung ist zwar möglich, jedoch auch verbunden mit sehr langen Wartezeiten und ist in der Praxis weniger verbreitet, da es viel zu wenige Plätze gibt.
Im Großen und Ganzen ein „gutes“ Gesundheitssystem, welches jedoch in diesem Bereich noch ausbaufähig ist.
Folgende Stellen geben Auskunft über Psychotherapie in NÖ und Wien:
Niederösterreich:
0800 202 434
Mo |
08:30 – 12:30 Uhr |
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Di |
08:30 – 12:30, 13:30 – 17:30 Uhr |
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Mi |
08:30 – 12:30 Uhr |
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Do |
08:30 – 12:30, 13:30 – 17:30 Uhr |
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Fr |
08:30 – 14:30 Uhr |
|
Wien:
01 968 80 25
Verein für ambulante Psychotherapie:
01 / 402 56 96