15. Juni 2017
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„Es ist wichtig, dass man nicht alles sofort glaub, was man liest“

Staatssekretärin Muna Duzdar im Interview über Hasskommentare und Fake News und wie Schüler_innen damit umgehen sollten.

Können Sie zum Einstieg kurz erklären, wie die aktuelle Rechtslage bei Hasspostings aussieht?

 Die Rechtslage ist eigentlich sehr klar: Alles was offline strafrechtlich relevant ist, ist auch online strafbar. Anfang 2016 wurde der Verhetzungsparagraf verschärft und ausgeweitet und ein neuer Strafbestand wurde mit „Cybermobbing“ eingeführt. Das bedeutet, wer via Internet jemanden massiv in der Ehre kränkt oder Bilder aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich eines anderen preisgibt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.

Es wird ja derzeit an einer neuen Beratungs- und Meldestelle zum Thema gearbeitet – wann wird diese circa in Betrieb gehen und wie genau kann man sich diese Meldestelle vorstellen?

Gerade beim Thema Cybermobbing wissen wir, dass das verehrende Folgen insbesondere für Kinder und Jugendliche haben kann – wir sprechen hier von traumatischen Erlebnissen, die die Betroffenen sogar zu Selbstmordversuchen bis zu Suizid treiben. Daher war es mir wichtig, eine niederschwellige Anlaufstelle zu schaffen. Die Melde- und Beratungsstelle soll im Sommer ihre Arbeit aufnehmen. Dort wird erklärt, was ein Hassposting ist und ob etwas strafrechtlich relevant ist. Die Menschen werden auch informiert, wie man etwas löschen oder melden kann. Man kann dort anrufen, E-Mails schicken, per Chat anfragen, und man kann sich auch persönlich beraten lassen. Wichtig ist auch, dass dort Beratung für Betroffene angeboten wird bzw. an die richtigen Stellen weitergeleitet wird. Denn nicht immer ist ein Hassposting strafrechtlich relevant, doch für die Betroffenen ist es wichtig, eine Anlaufstelle zu haben.

Viele Untersuchungen zeigen, dass Facebook, Youtube und Twitter nur einen sehr geringen Anteil der gemeldeten Posts auch wirklich löschen. In Deutschland gibt es hier bereits Vorbereitungen für Gesetze, die die sozialen Netzwerke zu mehr Kontrolle verpflichten sollen. Gibt es in der Regierung ähnliche Überlegungen?

Wir brauchen hier eine internationale Antwort. Ich unterstütze die EU-Kommissarin für Justiz und Verbraucherschutz, Vera Jourova, darin, dass sie den Internetkonzernen die Rute ins Fenster stellt. Derzeit wollen die Plattformen nur auf freiwilliger Basis löschen, wenn sie das weiterhin wollen, dann müssen sie rasch zeigen, dass das funktioniert.

Noch einmal zurück zur aktuellen Rechtslage: viele Hasspostings erfüllen ja bereits straf- oder privatrechtliche Tatbestände, trotzdem wehren sich viele Betroffene nicht gerichtlich dagegen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Grundsätzlich braucht es einfach mehr Informationen: Was genau fällt unter Verhetzung, was erfüllt den Strafbestand des Cybermobbings. Hier ist natürlich auch Aufklärung in den Schulen sehr wichtig.

In vielen Gesprächen mit Betroffenen und NGOs wurde klar, dass der Weg zur Staatsanwaltschaft nicht immer der einfachste ist. Mit der Beratungsstelle wollen wir dieses Problem konkret angehen und die Menschen unterstützen. Was vielen nicht bewusst ist: Facebook verfügt über keine rechtliche Clearing-Stelle. Strafrechtliche Inhalte werden nicht immer eraknnt. Hier kommt dann oft die Meldung, dass der gemeldete Beitrag nicht den Gemeinschaftsstandards widerspricht – und doch kann er strafrechtlich relevant sein. Doch die wenigsten machen dann eine Anzeige bei den Behörden. Facebook-Regeln hin oder her – wenn ein Posting verhetzend ist oder einen sonstigen Straftatbestand nach österreichischem Recht erfüllt,  sollte man dieses bei einer Behörde anzeigen. Denn dann wird das Posting (sofern es illegal ist) mit Sicherheit gelöscht. Und Facebook lernt noch etwas dazu.

Aktuell ist nicht nur das Thema Hasspostings, sondern auch „Fake News“ werden noch immer heiß diskutiert, was raten Sie Schüler_innen, damit diese nicht falschen bzw. erfundenen Informationen glauben?

Zunächst einmal ist es wichtig, dass man nicht alles sofort glaub, was man liest. Dabei sind Medienkompetenz und Quellenkritik entscheidend. Aber es braucht auch mehr digitale Zivilcourage: Man muss sich einmischen, nachfragen, Dinge mit Fakten richtig stellen und sich gegenseitig im Netz unterstützten.

BKA/Andy Wenzel Foto: BKA/Andy Wenzel

Infobox

10 Tipps der Staatssekretärin bei Hasskommentaren:

Tipp 1 – Nachfragen

Nachfragen regt zum Nachdenken an – zumindest manchmal. „Wie meinst du das?“ „Woher hast du die Info?“ „Hast du dazu auch Daten und Fakten?“ Oft hat sich damit das Gerücht auch schon erledigt. Und andere Nutzerinnen und Nutzer wissen, was Sache ist.

Tipp 2 – Benennen

Der Diskussionsstil ist verletzend, andere Nutzerinnen und Nutzer werden beleidigt? Dann stell das einfach fest: „Ich finde es nicht in Ordnung, dass du mich beleidigst!“, oder „Du greifst mich persönlich an.“

Tipp 3 – Sachlich bleiben und sich wehren

Bleib ruhig und sachlich. Nimm die Emotionen raus, bring Argumente und Fakten. Stell klar: „Wenn Sie Ihre Kritik sachlich vorbringen, werde ich darauf antworten.“ Es ist auch OK, wenn du nur ein kurzes Statement abgibst und dich nicht in lange Diskussionen verwickeln lässt.

Tipp 4 – Entlarven

Informiere dich und bring Fakten in die Diskussion ein. Fakten sind kein Allheilmittel gegen überzeugte Hassposter. Sie helfen aber, Dritte zu erreichen, die noch kein geschlossenes Weltbild haben und für Fakten offen sind. Informiere dich, bevor du Inhalte teilst. Mit Suchmaschinen kannst du Informationen und Bilder prüfen.

Tipp 5 – Sich selbst schützen und Verbündete suchen

Setz dem Hass etwas entgegen. Aber achte auch auf dich. Wenn etwas zu beleidigend ist, hol Freundinnen und Freunde zu Hilfe oder nimm dir eine Auszeit. Unterstützt euch gegenseitig in der Diskussion. Trefft euch auch offline, um darüber zu reden und Strategien zu überlegen.

Tipp 6 – Gegenerzählungen anbieten

Du willst die Angst im Netz nicht hinnehmen. Hilf mit, bring positive Beispiele und biete alternative Erzählungen an. Diese Geschichten gibt es, wir müssen sie nur erzählen. Verwende nicht Begriffe, die dir problematisch erscheinen, nur weil sie in der Diskussion vorkommen. Finde deine eigenen Worte.

Tipp 7 – Nicht alles teilen

Manchmal klingt eine Geschichte einfach zu gut, um wahr zu sein. Deshalb verbreiten sich Falschmeldungen rasant, die Richtigstellungen oft weniger. Es liegt an uns, die Verbreitung von Falschmeldungen einzuschränken bzw. Richtigstellungen unter die Leute zu bringen.

Tipp 8 – Melden

Jede Plattform bietet die Möglichkeit, Kommentare und Nutzerinnen bzw. Nutzer zu melden. Diese Meldungen sind anonym. Wenn die Inhalte nicht den Regeln der Plattform entsprechen oder im jeweiligen Land strafrechtlich relevant sind, müssen diese gelöscht werden.

Tipp 9 – Anzeigen

Hasspostings sind aggressive, provozierende Kommentare im Internet. Oft erfüllen sie einen Straftatbestand und sind somit gerichtlich verfolgbar. Es macht rechtlich keinen Unterschied, ob ein Delikt in der realen Welt oder im Internet, z.B. in einem Online-Forum, begangen wird. Verhetzung, Verleumdung, Mobbing und üble Nachrede sind strafbar. Auch nationalsozialistische und rassistische Inhalte können geahndet werden. Wehr dich!

Tipp 10 – Moderiere deine Profile

Die Debatte findet auf deiner Profil-Seite statt? Moderiere sie und weise auf Grenzen hin. Auch Humor kann helfen, um eine hitzige Debatte wieder einzufangen. Scheu dich auch nicht davor, Kommentare zu löschen.