Ein trans*inklusives Umfeld schaffst du selbst: Erste Schritte
Hallo Friends! Ich, 19 Jahre alt, suche auf diesem Wege verbündete Personen, je mehr desto besser, als Begleitung und Unterstützung für Freizeit, Arbeit, Schule, und jeden anderen Lebensbereich. Aber hoppla: das ist keine Kontaktanzeige und kein Casting Call, sondern eine Anleitung: Was kannst du als cis Person tun, um in konkreten Situationen gegen Trans*feindlichkeit einzustehen[1]. Hier ein paar Tipps
Vorweg: den Titel „Verbündete_r“ bekommt niemand permanent verliehen. Verbündet-sein kann nur durch deine Handlungen entstehen und ist eine permanente Herausforderung, in der du dich immer wieder aufs Neue beweisen musst. Das mag sehr fordernd klingen, in Wirklichkeit liegt dahinter aber die wichtigste Erkenntnis des Verbündeten-tums: Für dich ist es eine Entscheidung, ob du dich mit Diskriminierung auseinandersetzen willst oder nicht. Für die betroffene Person stellt sich die Frage gar nicht – aus dem Alltag und der Realität täglicher Diskriminierung kann eins sich nicht zurückziehen. Sobald dir dieses Privileg bewusst geworden ist, sollte auch klar sein, dass sich Ally-Sein (=Verbündete_r-Sein) nicht auf Situationen in deinem direkten Umfeld beschränkt, sondern eine Verantwortung gegenüber der ganzen Community ist und dein Ziel sein muss, die gesamtgesellschaftliche strukturelle Diskriminierung von Trans*personen zu überwinden.
Step 1
Ein guter Anfang ist auf jeden Fall, einen inklusiveren Umgang mit Sprache, insbesondere Pronomen zu lernen. Welche Pronomen jemand verwendet, kannst du Menschen nicht ansehen – deshalb frage am besten höflich nach. Das kann so aussehen: „Hi, du heißt Alex, richtig? Was sind denn deine Pronomen? Ich bin die Myriam und meine Pronomen sind ‚sie‘, ‚ihr‘, ‚ihre‘.“ Hier kommt deine Position als Ally ins Spiel (yay!): Du als cis Person kannst dazu beitragen, das Fragen nach Pronomen zu normalisieren, indem du dich selbst auch immer mit deinen Pronomen vorstellst, anstatt zu denken:
- „Das sieht ma eh, ois normal bei mir, muss ich nicht dazusagen.“
- „Hab eh ‚die Myriam‘ gesagt, das reicht schon.“
Pronomen sind nicht das gleiche wie Geschlecht, sondern verraten nur, wie wir über eine Person sprechen sollen. Wenn du die Pronomen einer Person weißt, weißt du nicht automatisch, was ihr Gender ist, und danach zu fragen ist wahrscheinlich in 99% der Fälle nicht angebracht, außer die Person erzählt dir von sich aus etwas oder ihr seid die besten, deepsten und truesten Vertrauten.
Nur weil die deutsche Grammatik uns die kompliziertesten und binärsten Schmankerl aufzwingt, müssen wir uns nicht damit zufrieden geben – halte dein Hirn offen für neue Sprachvarianten wie genderlose Pronomen (z.B. „x“ oder „they“) und verwende ohne zu hinterfragen die Pronomen, die dein Gegenüber für sich selbst verwendet. Es kann auch sehr wichtig sein, nachzufragen, wann es ok ist, welche Pronomen zu verwenden. Nicht alle trans*Personen sind zu allen Leuten in ihrem/euer beider gemeinsamen Umfeld geoutet – es kann zu riskant sein, sich vor Lehrpersonen, Eltern, Klassenkolleg_innen zu outen, eins läuft Gefahr, nicht akzeptiert, gemobbt, gedemütigt oder von zu Hause rausgehaut zu werden. Also frag lieber nach.
Eingreifen, aber wie?
Wenn du in Sachen Pronomen bestens informiert bist, kommt als nächstes die Frage, ob und wie du einschreiten sollst, wenn du merkst, dass jemand misgegendert wird. Auch hier (und generell eigentlich immer) ist der allerbeste Rat: Frag bei deinen Friends, die trans* sind, nach, was ihnen am liebsten ist, und halte dich daran. Beispiel: Du und deine BFF Sarah seid bei einer kleinen Party eingeladen, wo ein paar Leute dabei sind, die euch nicht kennen. Sie wirken ganz nett, nur irgendwer hat nicht gut zugehört und misgendert Sarah ohne den Fehler zu merken. Sarah ist das ganze sehr unangenehm und sie ist genervt, dass sie sich vor neuen Leuten dauernd erklären muss und die ganze „Uuuuh ok WOW, das hab ich nicht gewusst, na seawas!“-Phase durchleben muss. Du kannst versuchen, eine Geschichte über euch zu erzählen und Sarah einzubeziehen, um damit klar und eindeutig ihre richtigen Pronomen aufzuzeigen, oder einfach häufig im Gespräch mit den anderen richtig über deine BFF reden, z.B.: „Magst du auch Chips? Die Sarah hat sie mitgenommen, meine Lieblingssorte!“
Gleichzeitig solltest du immer darauf achten, wie es der Person, mit der du unterwegs bist, mit der Situation geht. Manchmal ist es wichtiger, sich zurückzuziehen und aus einer unangenehmen Situation abzuhauen, damit es deinem_r Freund_in gut gehen kann, nach dem Motto: „Eins muss sich nicht jeden Scheiß geben.“ Dann ist es wichtig, dass du bei ihr_ihm bleibst, emotionalen Support anbietest und jede ungute Person, die sich näher als 5 Meter an euch herantraut, anbrüllst und vertreibst.
Nimm dich selbst unter die Lupe
Was, wenn du selbst den Fehler gemacht hast? Misgegendert werden ist ein echt schlechtes Gefühl. Aber noch schlimmer ist es, wenn dann ein Drama daraus gemacht wird. Also entschuldige dich einfach, bessere dich aus, und weiter geht’s. Wenn du dir dabei schwertust, einen neuen Namen zu merken und einen alten zu vergessen, übe einfach in deinem Kopf Sätze, wo du den richtigen Namen und richtige Pronomen einbaust, bis es besser geht.
Zu einem Allround-Ally-Dasein gehört noch sehr viel mehr als hier beschrieben ist – am allerwichtigsten ist die ständige Selbstreflexion. Nimm dein Verbündungs-Know-How und gib es an andere cis Personen weiter. Es ist wichtig, dass trans*Personen diejenigen sind, die bei trans* Fragen zu Wort kommen und den Ton angeben, aber du als Ally kannst ein Verstärker sein und durch das Teilen von guten Artikeln, Videos, Quellen etc. deinen Beitrag zur Veränderung leisten.
[1] „Cis Person, cisgender“ = zufrieden mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht, identifiziert sich durchgehend damit.
Trans*feindlichkeit = konkrete Handlungen, Verhaltensweisen oder Erwartungshaltungen, die nicht-cisgender Identitäten abwerten, pathologisieren, stigmatisieren, oder unsichtbar machen.