Wenn die Lehrer_innen der Zukunft Angst vor einem Gehaltsverlust haben, niemand weiß, ob diese Angst berechtigt ist und sich trotzdem fast alle, die die Wahl haben, für das neue System entscheiden, dann wissen wir, wir sind in Österreich und das Bildungsministerium hat seine Finger im Spiel.
In der im April 2015 veröffentlichten – überarbeiteten – Broschüre des Bundesministeriums dreht sich alles um die Vorteile für Lehrer_innen, Schüler_innen und den gesamten Schulapparat. Von „Attraktiven Gehältern, mehr Zeit mit den Schüler_innen und Gleichwertigkeit aller Lehrer_innengruppen (AHS, Volksschule, NMS/Hauptschule, Anm.)“ ist die Rede. Erreicht werden sollen all diese Ziele durch Erhöhung der Wochenstundenzahl auf 24, die Drehung der Einkommenskurve (also eine Erhöhung des Anfangsgehalts und einen rascheren Anstieg der Gehälter in den ersten Jahren), sowie eine gemeinsame Berechnungsbasis für Lehrer_innen verschiedener Schultypen.
Konkret sieht das Bildungsministerium durch die neuen Gehaltsstufen und das höhere Anfangseinkommen einen Lebenseinkommensanstieg zwischen 2,3 % und 8,5% bis zum Lebensalter 65. Außerdem sollen Gehaltunterschiede zwischen Lehrer_innen verschiedener Schultypen ausgeglichen und so mehr Flexibilität und Mobilität für den Wechsel in einen anderen Schultyp geschaffen werden.
Das neue Lehrer_innendienst- und Besoldungsrecht, wie es offiziell heißt, sieht auch die Erhöhung der Wochenstundenzahl auf 24 und die Zusammenlegung der vorgesehenen Stunden für die Arbeit als Klassenvorstand_Klassenvorständin, Mentor_in und die Beratungsstunden mit Eltern und Schüler_innen vor. Für diese Tätigkeiten sind zwei Wochenstunden vorgesehen. Außerdem wird das einjährige Praktikum, das fertige Lehramtsstudierende bisher absolvieren mussten, abgeschafft und der Berufseinstieg beginnt inklusive Vertrag als vollwertige_r Lehrer_in mit dem ersten Dienstjahr.
In einem Informationsschreiben der Vorsitzenden der Österreichischen Hochschüler_innenschaft Wien für Lehramt, also der gewählten Vertretung für Lehramtsstudierende, sieht die Welt für zukünftige Lehrer_innen schon etwas anders aus.
Sehr auf das zukünftige Gehalt von Lehrer_innen fokussiert, beschreibt sie die Nachteile des neuen Dienstrechts. So berechnet sie Einkommensverluste zwischen 8,8 und 22,7 % im Vergleich zum alten Dienstrecht, gesteht aber ein, wie schwierig ein Vergleich aufgrund des komplizierten Berechnungssystems ist.
Skeptisch sehen Studierende aber auch das vom Bildungsministerium prophezeite Stundenplus für die Betreuung von Schüler_innen. Konkret wird durch die erhöhte Stundenzahl eine sinkende Nachbereitungszeit pro Schüler_in befürchtet.
Im Widerspruch zur starken Kritik am neuen System stehen erste Zahlen, denen zufolge sich fast alle angehenden Lehrer_innen, die zurzeit noch die Wahl zwischen altem und neuem Dienstrecht haben, für das Lehrer_innendienstrecht NEU entscheiden.
Da sitzen sie und planen, debattieren über Gehälter, Zulagen und Arbeitszeiten und erwähnen in einem Halbsatz die angeblich optimierte Betreuung von Schüler_innen und Schülern. Doch welche Auswirkung wird das neue Lehrer_innendienstrecht tatsächlich auf Schüler_innen haben?
Wenn wir Schüler_innen uns Gedanken darüber machen, wie ihre Lehrer_innen sein sollten, dann ist „gut bezahlt“ wohl das Letzte, das sie interessiert. Viel wichtiger ist uns Schüler_innen, wie Lehrer_innen ihren Unterricht gestalten, wie gut sie ausgebildet sind und wie viel Zeit sie in die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts investieren, denn nichts ist schlimmer und sinnloser, als der monotone Unterricht von Lehrer_innen, die 20 Jahre alte Overheadfolien verwenden und erwarten, wir Schüler_innen hätten Spaß und Interesse an ihrem Unterricht. Deshalb ist aus Sicht der Schüler_innen sowohl die Erhöhung der Wochenstundenzahl als auch die neue Organisation der zusätzlichen Aufgaben der Lehrpersonen, zu verurteilen.
Durch die Abschaffung des Berufspraktikums, das Junglehrer_innen bisher absolvieren mussten, sind es nun die von der Universität kommenden Lehrer_innen, die in ihrem ersten Jahr hauptverantwortlich für den Unterricht und die Benotung der Klasse sind. Zwar schafft dies auf der einen Seite Klarheit für die Schüler_innen, da es bisher Unterschiede gab, wer die Note in von Praktikant_innen unterrichteten Klassen tatsächlich vergibt. Dies kann auf der anderen Seite aber auch bedeuten, dass Schüler_innen unter der geringen Erfahrung der jungen Lehrer_innen leiden. Unterstützt werden die beginnenden Lehrer_innen lediglich von Mentor_innen, die bis dato kaum vorhanden sind und deshalb mehrere Lehrer_innen betreuen müssen. Hinzu kommt, dass Lehrer_innen laut neuem Dienstrecht die ersten fünf Jahre nach Abschluss ihres Bachelors unterrichten dürfen und erst innerhalb dieser fünf Jahre den Master machen müssen. Auch dadurch bedingt müssen Schüler_innen mit einem Qualitätsverlust des Unterrichts rechnen. In Extremfällen können Lehrer_innen in ihrem ersten Dienstjahr sogar Klassenvorstände_Klassenvorständinnen werden.
Insgesamt werden Schüler_innen befürchten müssen, durch die mangelnde Unterstützung, die Lehrer_innen in den ersten Dienstjahren bekommen und die Doppelbelastung für Lehrer_innen, die berufsbegleitend ihren Master machen, darunter leiden zu müssen, dass die Qualität des Unterrichts sinkt und die Zeit, die Lehrer_innen für jede_n einzelne_n Schüler_in haben, abnimmt.
Obwohl wir es bereits gewohnt sein sollten, dass bei bildungspolitischen Diskussionen auf vorschulische Bildung und in diesem Zusammenhang sowohl auf Kindergartenpädagog_innen als auch auf Kindergartenkinder vergessen wird, ist es auch in diesem Kontext wichtig, aufzuzeigen, dass ein großer Bildungsbereich vergessen wurde.
Der Versuch des Bildungsministeriums, das auch für Bildungsanstalten im Bereich Kindergarten- und Sozialpädagogik zuständig ist, schafft es auch diesmal nicht, die Gelegenheit zu nutzen um endlich die Arbeit von Pädagog_innen, die im vorschulischen Bereich tätig sind, aufzuwerten. Der Versuch die Gehaltsunterschiede zwischen Lehrer_innen in AHSen, BMHSen, BSen, Volksschulen, Hauptschulen/Neuen Mittelschulen usw. auszugleichen, ist ein guter Ansatz, die Kindergärten auszulassen und wieder nicht zu berücksichtigen jedoch fatal. Dieses Versäumnis wird in der medial geführten Diskussion schlichtweg ausgelassen, das Ziel, die Kindergartenpädagog_innen zukünftig ebenfalls als „gleichberechtigte Partner_innen“ zu betrachten und zu bezahlen rückt in weite Ferne.
Sind jetzt einfach nur alle Beteiligten unzufrieden und beschweren sich die nächsten Jahre über das Lehrer_innen Dienstrecht, um das seit Jahren eine heftige Debatte geführt wurde und das obwohl wir eigentlich froh sein sollten, dass es endlich zustande gekommen ist?
Nein, es werden sich nicht alle beschweren und nein, es wird sich auch niemand freuen, dass es endlich zustande gekommen ist. Lehrer_innen der nächsten Jahre werden sich dafür oder dagegen entscheiden, alle danach werden keine Wahl haben, Schüler_innen werden die Probleme, die es im Schulsystem ohnehin ohne Ende gibt, nicht dem neuen Lehrer_innendienstrecht zuschreiben, Studierende werden sich überlegen, ob sie überhaupt den Berufsweg Lehrer_in einschlagen und Kindergartenpädagog_innen kommen sich vermutlich bei dieser, wie bei fast allen andere bildungspolitischen Diskussion nur noch vergessen vor.