Der letzte Ausweg
Schon wieder eine schriftliche Chemie-Wiederholung, dazu noch Mathe-Schularbeit, und viele Hausübungen. Und das alles innerhalb einer Woche. Lehrpersonen stempeln uns Schüler*innen dann oft als „faul“ ab, wenn wir durch diesen Druck keine andere Möglichkeit als schummeln finden, aber ist diese Anschuldigung immer berechtigt?
Wachsender Leistungsdruck als Entschuldigung
Heute wächst eine Generation junger Menschen heran, die ihr Leben ganz auf eine erfolgreiche berufliche Karriere, viel Geld und hohes Ansehen hintrimmt – und dabei am ständig wachsenden Leistungsdruck der neoliberalen Gesellschaft zu zerbrechen droht. Das ist, stark verkürzt, das Ergebnis einer Studie („Jugend unter Druck“), die der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier, Vorsitzender des Wiener Instituts für Jugendkulturforschung, an 11- bis 29-Jährigen durchgeführt hat.
Wir sind die erste Generation, die fast gänzlich von der stark auf Leistung ausgerichteten Gesellschaft erfasst wurde. „Die Anforderungen sind höher, die Konkurrenzsituation größer“, sagt Heinzlmaier. Über 60% der Befragten geben an, dass der Druck an den Schulen, aber auch beim Studium oder am Arbeitsplatz von Jahr zu Jahr größer wird. Ca. 44% der 11- bis 14-Jährigen stimmen zu, dass sie das Gefühl haben nur ihre Leistungen zählen und nicht sie selbst als Person. „Die Eltern erwarten sich erfolgreiche Kinder“. Bei den Älteren nimmt der Wert ein wenig ab. „Da ist der Fremdzwang zum Selbstzwang geworden“, sagt der Studienautor.
Zeitdruck – positiv oder negativ?
Der Begriff Zeitdruck ist sehr negativ besetzt. Es kann aber in manchen Fällen sogar positive Wirkungen haben und die betroffene Person zu körperlichen und geistigen Höchstleistungen antreiben. Im Idealfall kommt es zu einem „Flow-Erlebnis“, dabei geht eine Person vollkommen in ihrer Arbeit auf, weil sie sich den Aufgaben gewachsen fühlt und positives Feedback aus der Aufgabenerledigung selbst erhält.
Das kommt besonders in der Schulzeit aber nicht häufig vor. Meistens ist die zu Verfügung stehende Zeit zu kurz und es entsteht oft das Gefühl, keine Kontrolle mehr über die Situation zu haben. Zum Beispiel können dann Informationen schlechter aufgenommen werden, Konzentration und Arbeitsmotivation lassen nach und die Gefahr von Fehlern steigt. Dass man sich so auch nur wenig von dem Gelernten merkt und das Gefühl hat, einen Schummelzettel zu benötigen, ist logisch.
Notlösung
Aufgrund der oben genannten Faktoren, kann es als Schüler*in also ziemlich schwierig sein, für mehrere Fächer gleichzeitig zu lernen. Viele Jugendliche von 14-18 Jahren (laut einer Studie aus Leipzig ca. 80%) finden es okay zu schummeln. Und das nicht nur in der Schulzeit: 37% der Studierenden schreiben bei Prüfungen von der Sitznachbarin* oder dem Sitznachbar* ab. Dazu kommt noch, dass kaum jemand von uns sich für alle Fächer gleichviel interessiert. Wenn man für ein Fach lernt, das man persönlich nicht ausstehen kann, sinkt die Motivation sich den Stoff zu merken noch mehr und die Versuchung, einfach alles auf die Hand zu schreiben, steigt. Den Lehrpersonen sind die Gründe für das Schummeln meistens egal und achten nicht darauf, wie viel wir Schüler*innen auch in den anderen Schulfächern zu tun haben. Personen, die dabei erwischt werden, stempeln sie als „faul“ oder „dumm“ ab.
Schummeln erlaubt! – Die Lösung aller Lösungen?
Einige Lehrpersonen meinen, dass man sich als Schüler*in den zu lernenden Stoff viel besser merken kann, wenn man sich für den Test einen kleinen Zettel mit den wichtigesten Informationen schreibt. Ich selber habe eine Psychologielehrerin*, bei der wir diese Lernmethode anwenden dürfen. Und siehe da – es gibt fast niemanden in meiner Klasse mit einer schlechteren Note als eine 3. Viele Mitschüler*innen sagen sogar, sie brauchen den Schummelzettel im Endeffekt gar nicht (bis auf ein paar Jahreszahlen), weil sie sich alles gut gemerkt haben.
Bei einem Schulsystem, das besser auf individuelle Stärken eingeht und auch Rücksicht auf uns Schüler*innen nimmt, wäre es allerdings gar nicht nötig zu schummeln. Dann hätten wir genug Zeit und keinen Druck uns für einen Text oder eine Schularbeit vorzubereiten und würden nicht auf verbotene Mittel zurückgreifen müssen.