Vom Zug abgesprungen, auf der Überholspur gelandet?
Vor mittlerweile einigen Monaten wurde der neue Bundeskanzler Christian Kern mit seinem teilweise neuem Team angelobt. Von Medien und politischen Akteur_innen gab es viel Vorschusslorbeeren für den ehemaligen ÖBB-Chef. Doch welche Politik wird für die gemacht, die zu den Armsten unserer Gesellschaft zählen? Wir haben uns angesehen, was von den großen Ankündigungen eines neuen Kurses in der Asylpolitik übrig geblieben ist.
„Österreich wieder auf die Überholspur bringen“, dieses Ziel hat sich Christian Kern für 2025 gesetzt. Ein besonderes Augenmerk will der neue Bundeskanzler vor allem auf das Schaffen neuer Arbeitsplätze, das Wirtschaftswachstum und die Bildung richten. Aber mit seinem neuen Job will sich der ehemalige ÖBB-Chef auch anderen Themen widmen und ihnen mit klaren Standpunkten begegnen. Vor allem in der Flüchtlingsfrage symbolisiert Kern eine klare Linie, die sowohl den Fliehenden, als auch der österreichischen Bevölkerung nutzen soll.
„Das wichtigste Thema schlechthin“
Im Bereich der Bildung wurden unter Bundeskanzler Kern beispielsweise bereits 140 Millionen für Lehrpersonal, Unterstützungspersonal, Sprachlehrer_innen etc. zur Verfügung gestellt. Aber was geschah sonst in der Asylpolitik seit dem angeblichen Kurswechsel durch den neuen Bundeskanzler?
Das „wichtigste Thema schlechthin“ nennt Christian Kern die Integration, wenn es um Asylpolitik geht. In verschiedensten Interviews und Fernsehsendungen wird der Eindruck vermittelt, Bundeskanzler Kern würde bei Problemen wie der angeblichen „Spaltung der Gesellschaft“ oder der Bildung, ein mehr an Integration und Dialog zwischen jenen, die schon viele Jahrzehnte in Österreich leben und Menschen, die erst seit kurzer Zeit im Land sind, als besten Lösungsweg sehen.
Christian Kern setzte sich das klare Ziel, den Menschen, die bereits einen positiven Asylbescheid haben, Wohnungen, Arbeitsplätze und nicht zuletzt Bildungsangebote zur Verfügung zu stellen.
Außerdem lehnt Christian Kern eine Kürzung der Mindestsicherung für Migrant_innen ab und sagt in einem Standard-Interview er wolle Asylberechtigten einen „rascheren Zugang zum Arbeitsmarkt“ ermöglichen.
„Das ist der Plan, den die Regierung gefasst hat. Schon vor meiner Zeit. Zu diesem Plan stehe ich auch.“
Das sagt Bundeskanzler Christian Kern in einem ZiB2 Interview auf die Frage, wie er zur Obergrenze stehe.
Am 20. Jänner 2016 beschließt die Regierung Werner Faymanns eine Obergrenze von 37.500 Asylwerber_innen. Ist dieser „Richtwert“ erreicht, tritt die „Notverordnung“ in Kraft, die es praktisch unmöglich macht, einen Asylantrag in Österreich zu stellen.
Das Verhalten und vor allem mehrere Kursänderungen Werner Faymanns riefen heftige Kritik hervor. Menschenrechtsorganisationen, weite Teile seiner Partei, der SPÖ, sowie nicht zuletzt die EU-Kommission halten eine Obergrenze für „menschenunwürdig“ bzw. nicht tolerierbar, da es unter anderem gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt.
Obwohl gerade dieser Kurs Werner Faymann letztendlich zum Verhängnis wurde, kann Christian Kern als neuer Bundeskanzler mit seiner wohlklingenden Stimme und gelassener Rhetorik gerade diesen Kurs weiter fahren, ohne dafür kritisiert zu werden. Aber war es nicht gerade das Vertrauen in Kerns „Kurswechsel“, das ihn letztendlich zum Parteivorsitzenden machte?
Bundeskanzler Christian Kern spricht sich also für die Obergrenze, sowie das in Kraft treten der Notverordnung aus, wiederholt dafür allerdings mehrmals, dass er für einen menschlichen und humanitären Kurs steht. Außerdem bezeichnet Kern die Idee, Menschen die bereits in Österreich leben wieder aus dem Land zu bekommen als Symbolpolitik.
Aber wieviel ist von dem einst so menschlichen ÖBB-Chef der tausenden Geflüchteten die Möglichkeit bot, mit Hilfe der ÖBB nach Deutschland weiterzureisen noch übrig?. Glaubt mensch all den Statements des neuen Kanzlers, so ist gerade diese Menschlichkeit das Wichtigste, wenn es um Asylpolitik geht.
Mit neuer Kraft in neue Zeiten?
Obwohl Christian Kern mit drei neuen Minister_innen und einer neuen Staatssekretärin, vier Posten in der Regierung neu besetzte, mit denen er einen neuen Kurs einschlagen möchte, sind auch einige geblieben, die am alten Kurs von Faymann und Co beispielsweise in der Asylpolitik festhalten.
So ist beispielsweise Innenminister Sobotka in seinem Regierungsteam, welcher sich für eine Kürzung der Mindestsicherung ausspricht und damit Migrant_innen in eine wahrhaftige Existenzkrise drängt. Die Begründung, mensch müsse das Zielland Österreich „unattraktiver“ gestalten, ist eine Meinung, die auch einige sehr bekannte Parteikolleg_innen wie z.B.: Johanna Mikl-Leitner oder Außenminister Sebastian Kurz teilen.
Unter anderem ist auch Hans-Peter Doskozil (SPÖ) Teil der Bundesregierung, der genauso wie die bereits genannten Minister Sobotka und Kurz an einer Umsetzung der „Notverordnung“ interessiert ist, bevor die Obergrenze von 37.500 überhaupt erreicht wurde.
Ein weiteres Mitglied im „Team Menschlichkeit“.
Am 6. Juni 2016 schlägt Außenminister Sebastian Kurz in einem Interview der ZIB2 vor, Flüchtlinge, die über das Mittelmeer den Weg nach Europa antreten, noch vor ihrer Ankunft zurückzuschicken bzw. auf Inseln unterzubringen, sie zu versorgen und anschließend in ihr Heimatland abzuschieben bzw. in manchen Fällen zu einem Asylantrag zuzulassen. Dabei wird nicht beachtet, dass beispielsweise der Bürger_innenkrieg in Syrien noch sehr lange andauern könnte und Menschen viele Jahre auf einer Insel festsitzen könnten bzw. gerade diese Menschen nach Kriegsende gezwungen werden in einem von Waffengewalt geprägtes Land zu Leben. In vielen Fällen wurden Häuser zerstört und somit Wohnmöglichkeiten genommen.
Es bleibt also noch abzuwarten, ob es Christian Kern und dem neuen Regierungsteam gelingt, die SPÖ wieder zur stärksten Kraft zu machen , Österreich auf die Überholspur zu bringen und eine klare und menschliche Linie in der Regierung durchzusetzen.
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