4. April 2016
Geschrieben von

Homo-Ehe und weiter?

KampagnenSonntag

Die ultimative Gleichstellung Homosexueller und der Gipfel der Akzeptanz in einer Gesellschaft scheinen erreicht zu sein, sobald die Homo-Ehe rechtlich mit der herkömmlichen Hetero-Ehe gleichgestellt ist. Wie sieht nun die rechtliche Situation in verschiedenen Staaten rund um die Welt aus? Und die noch viel wichtigere Frage: Ist die Einführung der Homo-Ehe denn genug?

Juni 2015: Der Oberste Gerichtshof in den USA erklärt die gleichgeschlechtliche als bundesweit zulässig und gleichberechtigt.

November 2015: In Irland können homosexuelle Paare erstmals heiraten.

Viel hat sich getan im Jahr 2015 in Bezug auf die Rechte homosexueller Paare. Könnte man sagen. Man könnte aber auch die unzähligen Staaten thematisieren, in denen Nicht-Heterosexuelle Personen in vielen Bereichen noch juristisch diskriminiert werden. Oder man spricht vom fehlenden Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, ebenfalls in den meisten Staaten bittere Realität. Oder man spricht über die traurigen Gründe, die dafür sorgen, dass eine soziale Gruppe aufgrund etwas so Harmlosem wie Liebe und Sex benachteiligt wird.

Eines kann man jedoch festhalten: In keinem Land dieser Welt können wir von einer tatsächlichen Gleichstellung verschiedener Beziehungsformen und Sexualitäten ausgehen. Um das zu ändern, ist die Einführung der Homo-Ehe sicher ein wichtiger Schritt, wie kürzlich in den USA und Irland. Doch damit ist es nicht getan. Und Schritte zur Gleichstellung sehen von Land zu Land unterschiedlich aus.

Vorerst ein Überblick über die rechtliche Lage Homosexueller in ausgewählten Ländern.

Irland

Die Einführung der Homo-Ehe in Irland ist auf recht einmaligem Weg passiert. Die Regierung führte eine Volksabstimmung zu dieser Frage durch, die für viele überraschend positiv ausfiel. Überraschend deshalb, weil Irland als stark katholisch geprägtes Land gilt, der Vatikan in Bezug auf Homo-Rechte aber nicht gerade als progressiv und offen bezeichnet werden kann. Aus diesem kam dann auch prompt als Reaktion die Aussage, das Ja zur Homo-Ehe sei eine Niederlage für die Menschheit. Überraschend war auch die Deutlichkeit, mit der das Votum erfolgte. 62% der Ir_innen stimmten für die Einführung.

Bei aller Freude über den wichtigen Schritt in der irischen Gesellschaft sollte eine Frage aber nicht außer Acht gelassen werden: Ist die Art und Weise, wie das Gesetzt zustande kam, nicht etwas problematisch? Denn in jeder Demokratie muss es auch starke Minderheitenrechte geben, damit nicht eine privilegierte Mehrheit über eine marginalisierte soziale Gruppe hinweg entscheiden kann. Warum müssen gleichgeschlechtliche Paare auf den Segen ihrer heterosexuellen Mitmenschen angewiesen sein, um die gleichen Rechte zu erhalten?

Vereinigte Staaten

Auf ganz unterschiedlichem Weg als in Irland wurde die Homo-Ehe in den USA legalisert. Dort entschied der Oberste Gerichtshof nun, dass Homo-Ehen in allen Bundesstaaten durchgeführt werden können. Auch eine Mehrheit der US-Amerikaner_innen unterstützt diesen Schritt.

Gerade aber Politiker_innen der Republikanischen Partei, der konservativen Partei in den USA, versuchen, trotz diesen Entscheids homophobes Verhalten zu legalisieren. Gerade die Bundesstaaten im Süden und im mittleren Westen, in welchen die Regierungen besonders konservativ sind, gibt es eine Menge an Gesetzen, die Diskriminierung aufgrund der Sexualität unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit ermöglichen. So können in einigen Staaten Arbeitnehmer_innen aufgrund ihrer Sexualität entlassen werden. Doch diese Gesetze können noch viel absurdere Auswirkungen haben: in Georgia könnte ein Gesetz dafür sorgen, dass ein_e Santitär_in mit Berufung auf den eigenen Glauben einer schwulen oder lesbischen Person lebensrettende Maßnahmen verweigern kann.

Russland

Wieder ganz anders sieht die rechtliche Situation in Russland aus. Hier dürfen Homosexuelle Paare weder heiraten noch Kinder bekommen. Interessant ist hierbei, dass unverheiratete Einzelpersonen sehr wohl Kinder adoptieren dürfen.

Außerdem gibt es in Russland ein Gesetz gegen „Homosexuellen-Propaganda“, welches das Reden über Homosexualität vor Jugendlichen unter Strafe stellt. Die homophobe Politik führt auch zu einer gesellschaftlichen Situation, in der Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung vermehrt stattfinden. Und eine weitere Folge der Gesetzgebung: Der Hass auf Homosexuelle gilt vor Gericht bei Verbrechen als mildernder Umstand. Wladimir Woloschin, Chef_innenredakeur des Maganzin „Queer“ beschrieb die Situation 2013 so:“Es ist eine der perversen Folgen des neuen Gesetzes, dass Straftäter angeben, aus Aversion gegen Homosexuelle gehandelt zu haben, weil ihre Anwälte (sic!) davon ausgehen, dass dies als mildernder Umstand in die Urteilssprechung eingeht“, sagt er. „Das Schlimme ist, es funktioniert.“

wikipedia.org/wiki/Homosexualität_in_Russland

Rainbow-Flash in St.Petersburg

Südafrika

Südafrika hat eine der progressivsten Gesetzgebungen in Bezug auf Homosexuellenrechte. So war es der erste Staat weltweit, der in seiner Verfassung 1996 ausdrücklich ein Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung festschrieb. Die Homo-Ehe gibt es seit 2006 und sowohl anders- als auch gleichgeschlechtliche Paare können eine eingetragene Partner_innenschaft eingehen.

In Südafrika kommt dennoch ein Problem zutage, das sich auch in Staaten, die eine ähnlich progressive Gesetzgebung besitzen, zeigt. Denn eine rechtliche Gleichstellung ist zwar unglaublich wichtig, sie führt jedoch noch lange nicht zu einer gesellschaftlichen. Das zeigt sich in Umfragen, die beispielsweise 2006 in der Provinz KwaZulu-Natal durchgeführt wurden. Ebenjene Umfrage zeigte, dass 19% der lesbischen Schülerinnen* und 20% der schwulen Schüler* schon einmal sexuell missbraucht wurden. Die hohen Zahlen an solchen Verbrechen führen Menschenrechtsaktivist_innen auch darauf zurück, dass es keine spezifische Gesetzgebung gegen Hassverbrechen gibt und die Polizei viel zu oft wegsieht.
europemarriage

Homo-Rechte rund um die Welt

Die angeführten Länder können natürlich keinen vollständigen Überblick über die weltweite Situation von Homo-Rechten bieten. Der Status Quo in diesen Staaten zeigt aber, dass wir nicht nur von der Homo-Ehe reden können, wenn es um die Anerkennung aller Formen von Sexualität und Beziehung gehen soll. Das Erreichen einer egalitären Gesellschaftsform erfolgt über die unterschiedlichsten Erfolge. Wir müssen über Adoptionsrecht, Leihmutterschaft, Anti-Diskriminierungsgesetze und Aufklärungsunterricht reden. Wir müssen für Vielfalt, Gleichheit und gegenseitige Wertschätzung kämpfen.

Was beim Kampf der Gleichstellung Homosexueller und ihrer Rechte nicht vergessen werden darf, ist die aktive Sichtbarmachung weiterer Sexualitäten und Identitäten. Der Kampf von und für Homosexuelle muss ein Kampf mit der ganzen LGBT* Community sein. Denn nur so kann auch die Gleichstellung von Trans* und Inter Personen gesetzlich und strukturell gewährleistet werden. Und nur so wird früher oder später das biologische Geschlecht keine Rolle mehr spielen wenn es darum geht zu heiraten oder Kinder groß zu ziehen.

Jeden Sonntag gibt es nun passend zu unserer Kampage einen Artikel zu den Themen Sexualität und Identität Foto: aks
Jeden Sonntag gibt es nun passend zu unserer Kampage einen Artikel zu den Themen Sexualität und Identität