Oft wird behauptet, in der Schüler_innenarbeit soll man sich nicht mit Gesellschaftspolitik auseinandersetzen. Vielmehr solle man sich nur auf die bildungspolitischen Themen konzentrieren, das wäre ja die tatsächliche Aufgabe. Christina Götschhofer sieht das anders. Ein Pladoyer.
In Diskussionen über Bildungspolitik gibt es immer wieder die Frage, ob Gesellschaftspolitik und Bildungspolitik zusammengehören. Dabei wird beispielsweise argumentiert, Diskriminierung sei ein gesellschaftliches Problem, doch an der eigenen Schule gäbe es doch gar keine. Das wiederum sei ein Zeichen dafür, dass Gesellschaftspolitik und Bildungspolitik getrennt diskutiert werden müssen.
Doch die Realität ist anders. Gesellschaftliche Dynamiken gibt es auch in der Schule – Interaktionen, die man auch im Supermarkt oder im Schwimmbad sehen kann, ebenso wie Probleme.
Die zwei Themen haben auf den ersten Blick nicht miteinander zu tun, sieht man jedoch genauer hin, bemerkt man eine starke Verbindung. Die Schule ist der Ort, an dem wir uns formen, an dem wir viele Daten und Fakten, aber auch Verhaltensweisen erlernen.
Neben den Themen, die wir im Unterricht behandeln und somit bewusst an- und besprechen, gibt es auch Dinge, die wir unterbewusst lernen. Dabei geht es um Dinge, wie Hierarchien oder auch Bevorzugung. Die Hierarchien kann man z.B. in jenen Schulen beobachten, in denen die Schüler_innen die Lehrer_innen mit per-Sie ansprechen müssen. Bevorzugung der Lehrer_innen auf die Schüler_innen spüren wir auch regelmäßig.
Dabei verinnerlichen wir auch, wie wir in bestimmten Situationen umgehen sollen/können/müssen.
Wird ein_e Mitschüler_in gemobbt, gibt es zwei Möglichkeiten, wie die Schule darauf reagieren kann. Entweder sie greift ein und versucht zu helfen, oder sie schaut weg. – Somit lernen wir also, wie wir mit Situationen umgehen sollen, in denen jemand benachteiligt wird. Doch das ist nicht nur der einzige Faktor, in dem Schule und Gesellschaft verbunden sind. Alleine die Tatsache, dass es Mobbing in der Schule gibt, weist darauf hin, dass es gesellschaftliche Probleme auch im Schulsystem gibt.
Man könnte eine schier unendlich lange Liste mit Bereichen schreiben, in der steht, in welchen Punkten Schule und Gesellschaft verbunden sind. Doch nachdem man diese Verbindung bemerkt hat, muss man sie nicht nur sichtbar machen und darüber sprechen, sondern auch etwas dagegen tun.
Im aktuellen Lehrplan wird viel zu wenig über die Gesellschaft und ihre Vor- sowie Nachteile gesprochen, verschiedene Diskriminierungsformen haben in Schulbüchern und im Unterricht kaum Platz.
Es ist notwendig, diese Themen anzusprechen und zu diskutieren, um Schüler_innen den Platz zu geben, Fragen zu stellen und zu lernen, welche Handlungen andere verletzen und welche nicht. Doch es muss darüber hinaus gehen! Es muss nicht nur den Raum geben, das eigene Verhalten zu reflektieren, Schüler_innen müssen auch über strukturelle Benachteiligung von verschiedenen Personengruppen Bescheid wissen. Denn nur, wenn man solche Dinge weiß, kann man auch gegen sie aufstehen.