22. April 2016
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Das höchste Amt im Staat?

Am Sonntag findet die Wahl zum Staatsoberhaupt der Republik Österreich statt. Der_Die Bundespräsident_in hat das höchste Amt im Staat inne, doch was liegt tatsächlich im Kompetenzbereich dieser Funktion? Ein Überblick.

„Das Amt des Bundespräsidenten, in meinem Fall der Bundespräsidentin, wird oft überschätzt; es wird aber auch unterschätzt.“

Mit diesen Worten begann das Antrittsvideo von Irmgard Griss letzten Dezember. Es zeigt ganz gut ein großes Problem bei diesen Wahlen auf. Denn die Frage ist: Was kann/darf/soll der_die Bundespräsident_in überhaupt im Amt tun? Bei den Kompetenzen des_der Bundespräsident_in kann man einerseits auf das eingehen, was per Verfassung fest geschrieben ist. Andererseits ist es aber auch wichtig zu sehen, inwiefern ehemalige Bundespräsidenten diese Kompetenzen nutzen konnten.

Aufgaben und Kompetenzen

Zu den wichtigsten Kompetenzen des Amtes zählen:

  • Ernennung der Bundesregierung
  • Entlassung der Bundesregierung
  • Auflösung des Nationalrats und der Landtage
  • Beurkundung von Gesetzen
  • Oberbefehl über das Bundesheer
  • Vertretung der Republik nach außen

Die Ernennung der Bundesregierung ist insofern spannend, weil der_die Bundespräsident_in rechtlich nicht gebunden ist, wen er_sie als Bundeskanzler_in ernennt. Die Minister_innen und Staatssekretär_innen ernennt er_sie dann auf Vorschlag des_der Bundeskanzler_in, kann jedoch gewisse Personen ablehnen.

Die Entlassung der Bundesregierung kann rechtlich ohne Vorschlag erfolgen, das heißt der_die Bundespräsident_in kann dies nach freiem Ermessen tun. Im Gegensatz dazu kann die Auflösung des Nationalrats nur auf Vorschlag der Bundesregierung erfolgen.

Was hat es nun aber mit diesen Kompetenzen realpolitisch auf sich? Anhand einiger ehemaliger Bundespräsidenten kann man ganz gut sehen, welche Kompetenzen wie genutzt werden können bzw. was gegen eine Person in dieser Rolle spricht.

Wilhelm Miklas und der Austrofaschismus

Wilhelm Miklas wurde 1928 Bundespräsident und war dies auch noch als die 3 Nationalratspräsidenten bei der Nationalratssitzung am 4. März 1933 zurücktraten. Dieses Vorkommnis nutzt der damalige Bundeskanzler Engelbert Dollfuß um den Nationalrat nicht wieder zusammenkommen zu lassen, was schließlich zum Faschismus in Österreich führte.

Wilhelm Miklas der wie Dollfuß Mitglied der Christlich Sozialen Partei war, hätte in seiner Rolle als Bundespräsident, vieles verhindern können, da es in seiner Kompetenz stand, die Bundesregierung zu entlassen, was in weiterer Folge zu Neuwahlen geführt hätte. Stattdessen entschied er sich dazu, passiv zuzusehen, wie die Demokratie in Österreich ausgehebelt wurde. Was folgte war eine 6-jährige faschistische Herrschaftsform nach Vorbild des italienischen Faschismus, in dieser Zeit blieb Miklas Bundespräsident.

Die Waldheim-Affäre

Ungefähr 50 Jahre später erlangte ein anderer österreichische Bundespräsident weltweite Berühmtheit. Kurt Waldheim, stellte sich 1986 zur Wahl. Vor seiner Funktion als Bundespräsident war er UN-Generalsekretär und Außenminister. Im Zuge des Wahlkampfs kam jedoch auch seine Vergangenheit in der Zeit des Nationalsozialismus zum Vorschein. So war Waldheim unter anderem Offizier der Wehrmacht, Mitglied der SA und des nationalsozialistischen Studentenbundes. Doch trotz dieser Vergangenheit wurde Waldheim Bundespräsident.

Waldheim war von 1986 bis 1992 im Amt. Eine der Hauptkompetenzen des Bundespräsidenten ist die Vertretung der Republik nach außen, was Waldheim jedoch mehr schlecht als recht gelang, da die USA aufgrund seiner nationalsozialistischen Vergangenheit ein Einreiseverbot gegen ihn erhängten. Auch wurde er von keinem anderen westlicher Staat eingeladen und das österreichische Verhältnis zu Israel blieb während seiner Amtszeit angeschlagen.

Thomas Klestil und die FPÖ

Nachfolger Waldheims 1992 war Thomas Klestil der in seiner ersten Amtszeit als ÖVP-Kandidat antrat, in der zweiten ab 1998 als Unabhängiger. Klestil wollte von Anfang an ein aktiver Präsident sein.

Bei den Nationalratswahlen 1999 wurde nach der SPÖ die FPÖ unter Jörg Haider zweitstärkste Partei, die ÖVP wurde erstmals dritte Kraft. Bis dahin war es üblich, dass die stimmenstärkste Partei auch den Kanzler stellte. Doch im Zuge der Koalitionsverhandlungen stellte sich heraus, dass Wolgang Schüssel von der ÖVP lieber als Kanzler mit der FPÖ koalieren würde – anstatt als Vizekanzler mit der SPÖ. Die FPÖ allerdings war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so stark in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wie sie es heute ist. Thomas Klestil wollte also auf keinen Fall eine Regierungsbeteiligung einer solch rechtsextremen Partei zulassen.

Trotzdem setzte sich Schüssel durch. Er wurde von Klestil als Kanzler ernannt, obwohl er nur der drittstärksten Partei angehörte. Klestil ließ es sich jedoch nicht nehmen, zumindest 2 Ministerernennungen nicht durchzuführen, weil die beiden durch besonders ausländer_innenfeindlichen Wahlkampf aufgefallen waren.

Wer wird Bundespräsident_in?

Wer also am Sonntag bzw. nach der Stichwahl neue_r Bundespräsident_in wird, kann sehr wohl auch für die zukünftige Politik sehr entscheidend sein. Wie wird diese Person das Amt anlegen? Vor allem die 2 in den Umfragen führenden Kandidaten – ein Unabhängiger mit grüner Vergangenheit, Alexander Van der Bellen, und der Kandidat der FPÖ, Norbert Hofer – wollen jenes Amt ganz unterschiedlich angehen. Van der Bellen würde den Obmann der FPÖ, Heinz-Christian Strache nicht als Bundeskanzler angeloben. Norbert Hofer hingegen sähe seine Wahl als Bundespräsident als Grund genug die aktuelle Bundesregierung zu entlassen. Norbert Hofer steht beispielhaft für den Rechtsruck in ganz Europa, Van der Bellen gilt eher als liberaler, EU-freundlicher Kandidat. Auch die dritte, die noch gute Chancen hat, in die Stichwahl zu kommen, Irmgard Griss, steht für einen neuen Kurs, da sie nicht aus der Parteienpolitik kommt und als Juristin wieder einen anderen Blick auf das Amt hat. Ganz neu ist bei dieser Wahl auch, dass die zwei Kandidaten der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP wenig Chancen haben. Sollten sie nicht in die Stichwahl kommen, wäre es das erste mal in der Geschichte der zweiten Republik, dass der_die Bundespräsident_in nicht einer dieser beiden Parteien zugeordnet werden könnte.

Miklas, Waldheim, Klestil; Drei Bundespräsidenten, die das Amt ganz unterschiedlich auslegten. Foto: Wienbibliothek im Rathaus; ÖNB / Photo Simonis; Clemens FABRY
Miklas, Waldheim, Klestil; Drei Bundespräsidenten, die das Amt ganz unterschiedlich auslegten.