„Was wollen die da?“
Ein Interview über Rechtsextremismus und antifaschistischen Protest
Natascha Strobl ist Polititikwissenschaftlerin und aktive Antifaschistin. Die Syntax unterhielt sich mit ihr über die erstarkende Rechte in Europa, den bevorstehenden Akademikerball und warum antifaschistischer Protest so wichtig ist.
Am 29. findet in Wien wieder der Akademikerball statt. Wer wird dort eigentlich erwartet und was macht diesen Ball so problematisch?
Der Ball ist aus mehreren Gründen problematisch. Erstens ist der Ball das Vernetzungstreffen einer rechtsextremen Elite. Das Who-Is-Who des europäischen Rechtsextremismus trifft und vernetzt sich. Zum anderen findet das Ganze an der repräsentativsten Adresse der Republik statt – dem Amtssitz des Bundespräsidenten. Drittens ist es so, dass es im Umfeld des Balls immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen von Nazis und anderen Rechtsextremen kommt.
Wie jedes Jahr wird auch heuer wieder gegen den Ball demonstriert. Was bedeuten für dich die Demonstrationen? Sind sie ein reines Zeichen setzen oder hatten sie in den letzten Jahren auch realpolitische Auswirkungen?
Wenn man sich in Erinnerung ruft, dass der Ball seit 1952 existiert und viele Jahrzehnte niemanden interessiert hat, dann zeigt sich, dass die Demonstrationen sehr wohl etwas verschoben haben. Sie haben ihn zu einem bestimmenden Thema Anfang des Jahres und zu DEM antifaschistischen Kristallisationspunkt gemacht. Der Ball wurde aus seiner Normalität geholt und stand plötzlich zur Debatte. Das war viele Jahrzehnte nicht der Fall und ist ausschließlich ein Erfolg linker Mobilisierung. Realpolitische Auswirkungen gab es auch – etwa als die Burschenschafter aus der Hofburg geflogen sind und die FPÖ eingesprungen ist (das Ballkomitee blieb ident). „Wir sind die neuen Juden“ wurde zu einem DER Sprüche der letzten 10 Jahre in der österreichischen Innenpolitik. Nicht zuletzt wurden Generationen von Antifaschist_innen politisiert und mit „Offensive gegen Rechts“ eines der erfolgreichsten und langlebigsten Projekte der Linken gegründet.
Eine große Rolle bei den Demonstrationen spielen auch immer die Medien. Während internationale Medien in den letzten Jahren den Akademikerball an sich und auch die Rolle der Polizei bei den Demonstrationen kritisierten, schießen sich viele inländische Medien vor allem auf die Demonstrant_innen ein. Warum ist das so?
Das ist eine sehr gute Frage und ist sicher spannend einmal mit Vertreter_innen der Medien selbst zu diskutieren. Zu mal es ja nicht bei allen so ist. Es sind aber Medien, wie der Falter, die eine besondere Aufmerksamkeit genießen und wo sich viele eine antilinke Berichterstattung nicht erwartet hätten. Es fehlt eben auch an einer großen linken Tageszeitung, so dass das Ungleichgewicht besonders auffällt, wenn (links)liberale Zeitungen in die Hysterie des Boulevards einstimmen. Prinzipiell gibt es natürlich eine antilinke Stimmung, da die Linke wenig in öffentlichen und medialen Debatten präsent ist. Wenn dann plötzlich welche kommen und unangenehme Tatsachen aufzeigen, dann führt das bei vielen etablierten Redakteur_innen, die meinten die linke Stimme medial besetzt zu haben, zu einem Beißreflex. „Was wollen die da?“ „Was erlauben sich die?“ Das hat auch etwas mit Eitelkeiten zu tun.
Als Organisatorin des Akademikerballs steht auch die FPÖ dieses Jahr wieder im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Rechtspopulistische Parteien wie sie sind in einem Großteil Europas im Aufschwung. Was kann deiner Meinung die Zivilgesellschaft gegen diesen Rechtsruck tun?
Das heißt immer und immer wieder zu diskutieren, sich mit Leuten hin zu setzen und sich immer wieder zu erklären.
Das wichtigste ist, dass Rechtsextremismus nie zur Normalität werden darf. Das heißt immer dagegen einzustehen, aufzustehen und auf die Straße zu gehen. Nur mit Internetpetitionen lässt sich dem Problem nicht begegnen. Ich halte es aber auch für wichtig sich nicht arrogant auf die moralisch erhabene Position zu stellen, sondern sich um jeden Menschen, der kein geschlossen rechtes Weltbild hat, zu bemühen. Das heißt immer und immer wieder zu diskutieren, sich mit Leuten hin zu setzen und sich immer wieder zu erklären. Drittens ist die Solidarität mit Menschen, die von rechtsextremer Gewalt betroffen sind, sehr wichtig. Das sind vor allem Flüchtlinge, aber auch Aktivist_innen für LGBTQ+-Rechte, Antifaschist_innen usw. Und in der großen Perspektive braucht es natürlich linke Antworten und Angebote auf drängende Probleme.
Erst letzte Woche beschloss die Regierung eine Obergrenze für Flüchtlinge und verstieß damit gegen die Menschenrechte und die UN-Flüchtlingskonvention. Diesen Beschluss hätte man eher von der FPÖ erwartet. Warum nähern sich die Regierungsparteien thematisch so sehr dieser an?
Es hat sich historisch noch nie als besonders zielführend erwiesen die Rechten rechts überholen zu wollen. Ob dies aus Kalkül oder tiefer ideologischer Überzeugung passiert, kann ich nicht beurteilen. Beispiele wie diese zeigen aber, dass die FPÖ in der Lage ist wichtige Diskurse zu prägen und mit eigenen Logiken zu versehen. Die FPÖ erringt so in vielen wichtigen Bereichen die Hegemonie.
Als Blog von und für Schüler_innen ist uns natürlich auch die Frage wichtig, was in der Schule getan werden kann, um rechtes Gedankengut und Rassismus zu bekämpfen. Was wären hier deiner Meinung nach wichtige Schritte?
Betroffene von Diskriminierung zu unterstützen und solidarisch mit ihnen zu sein und gleichzeitig für emanzipative und angstfreie Räume zu sorgen, das ist wichtig.
Gerade die Schule ist eine der zentralsten Institutionen, um antirassistische und antifaschistische Praxen zu lernen. Das hat nämlich auch etwas mit Erziehung zu Demokratie zu tun. Und diese findet am Besten von unten statt. Das heißt, wenn sich Schüler_innen zusammen tun und gemeinsam ihre Umgebung gestalten. Gerade in der Schule kommt man dann schnell auf vieles drauf: Das hierarchische Bildungssystem, elitäre Bildungspläne, aber eben auch, dass Rassismus und Diskriminierung für viele Schüler_innen Alltag sind. Oder dass es schon in der Schule Organisationen gibt, die sich durch Männerbündelei und elitäres Verhalten hervor tun. Diesen entgegen zu treten, Betroffene von Diskriminierung zu unterstützen und solidarisch mit ihnen zu sein und gleichzeitig für emanzipative und angstfreie Räume zu sorgen, das ist wichtig.
Was würdest du Leuten sagen, die sich noch nicht entschieden haben, ob sie gegen den Akademikerball demonstrieren wollen?
Wir leben in einer Zeit in der sich sehr viel entscheidet. Autoritarismus und Rechtsextremismus kommen schleichend daher. Deswegen ist es jedes einzelne Mal wichtig dagegen aufzutreten. Wer seine Zukunft nicht von der FPÖ bestimmen lassen möchte, der_die soll am 29.1. gegen den Ball demonstrieren.