18. Dezember 2015
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Die Bibel und der Sex

Kann Homophobie mit der Bibel begründet werden?

Vielfach argumentieren fundamentalistische Verfechter_innen des Christ_innentums ihre Homophobie mit der Bibel. Ist Homophobie wirklich so einfach mit der Bibel zu begründen oder ist es möglich, diese Argumente zu entkräften? Tobias Wülbeck untersucht die Aussagen des möglicherweise einflussreichsten Buches der Geschichte.

Nachdem die USA die Ehe für alle öffnete, weigerte sich die Standesbeamtin Kim Davis unter Berufung auf ihren Glauben weiterhin, homosexuelle Paare zu trauen. Danach erntete sie angeblich sogar Lob vom Papst Franziskus. Nur knapp einen Monat später outet sich ein prominenter Theologe zu seiner Homosexualität und wird umgehend all seiner Funktionen im Kirchenstaat enthoben.

Warum sind Christ_innentum und Homophobie so häufig miteinander verbunden? Sagt die Bibel eindeutig, dass Homosexualität etwas anormales und abzulehnen sei? Im Folgenden einige Textstellen, die sich auf das Thema Homosexualität beziehen.

Das 3. Buch Mose

„Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben; Blutschuld lastet auf ihnen.“

3.Buch Mose 20,13

Diese Textstelle ist eindeutig homophob und wird von christlichen Fundamentalist_innen häufig als Grundlage für ihre Einstellung hergenommen. Doch manch andere Lehren des 3. Buch Mose befolgen dann doch die meisten Fundamentalist_innen nicht allzu konsequent. Denn wer das Buch wörtlich nehmen würde, müsste auch für andere Vorgaben einstehen.

Darunter würden fallen:

  • die eigene Tochter in die Sklaverei zu verkaufen
  • nie eine Frau zu berühren, wenn sie ihre Tage hat
  • Stiere zu verbrennen
  • nie zum_zur Friseur_in zu gehen
  • Jemanden zu töten, der_die seine_ihre Eltern beschimpft hat

Die beiden Städte Sodom und Gomorrha

Eine weitere Textstelle, die sich fundamentalistische Christ_innen als Argumentationsgrundlage nehmen, ist die Geschichte der beiden Städte Sodom und Gomorrha. In dieser Geschichte geht es darum, dass Gott diese beiden Städte als Strafe für ihre Sünden durch einen Feuer- und Schwefelregen zerstört hat.

Hier zwei Textstellen, mit denen Homophobie gerechtfertigt werden soll:

„Sie riefen Lot und sprachen zu ihm: Wo sind die Männer, die zu dir gekommen sind diese Nacht? Führe sie heraus zu uns, dass wir uns über sie hermachen.“

(1.Buch Mose 19,5)

„So sind auch Sodom und Gomorrha und die umliegenden Städte, die gleicherweise wie sie Unzucht betrieben haben und anderem Fleisch nachgegangen sind, zum Beispiel gesetzt und leiden die Pein des ewigen Feuers.“

(Brief des Judas 1,7)

Zur ersten Textstelle: Laut Bibelforscher_innen ist mit „sich über jemanden hermachen“ wahrscheinlich verhören gemeint.

Sieht man sich die zweite Textstelle genauer an, dann stehen sowohl das „andere Fleisch“ als auch „Unzucht“ vermutlich nicht für homosexuellen Geschlechtsverkehr.

Grundsätzlich sind sich die meisten Bibelforscher_innen einig, dass die beiden Städte vor allem aufgrund der Gier und der Kälte der Bewohner_innen zerstört wurden. Es gibt keinen eindeutigen Bezug zur Homosexualität.

Das 1. und 2.Buch Samuel

„Nach dem Gespräch Davids mit Saul schloss Jonatan David in sein Herz. Und Jonatan liebte David wie sein eigenes Leben. Saul behielt David von jenem Tag an bei sich und ließ ihn nicht mehr in das Haus seines Vaters zurückkehren. Jonatan schloss mit David einen Bund, weil er ihn wie sein eigenes Leben liebte.“

(1.Buch Samuel 18,1-3)

„Es ist mir Leid um dich, mein Bruder Jonathan: ich habe große Freude und Wonne an dir gehabt; deine Liebe ist mir sonderlicher gewesen, denn Frauenliebe ist.“

(2. Buch Samuel 1,26)

Das Textzitat aus dem 2. Buch Samuel könnte darauf hinweisen, dass Samuel neben seinen acht Hauptfrauen auch noch eine homoerotische bzw. homosexuelle Beziehung hatte.

Der evangelische Theologe Erhard Gerstenberger meinte zu dieser Textstelle: Da 2. Sam 1,26 Frauen- und Männerliebe direkt vergleiche, könne David durchaus neben acht Hauptfrauen auch eine homosexuelle Beziehung gehabt haben. Er folgerte, dass die Forderung nach der Todesstrafe im 3. Buch Mose 20,13 erst nachexilisch (Nach der Zeit des Babylonischen Exils, in dem die meisten Schriften des Alten Testaments entstanden sind) entstanden war.

Homosexualität und Frauen*

Über Homosexualität in Bezug auf Frauen* wird in der Bibel wenig erwähnt. Deshalb gehen die meisten Bibelforscher_innen davon aus, dass sexuelle Handlungen zwischen Frauen* nicht strafwürdig waren.

Als Beispiel für homosexuelle Beziehungen wird jedoch häufig die Geschichte von „Ruth und Noomi“ genannt.

Folgende Textstelle ist sehr interessant:

„Rut antwortete [der Israelitin Noemi]: Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren. Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein. Der Herr soll mir dies und das antun – nur der Tod wird mich von dir scheiden“

(Ruth 1, 6-7)

Dieses Versprechen wird oft bei christlichen Trauungen zitiert, aktuell auch bei der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, welche z.B. in der evangelischen Kirche vollzogen werden.

Die Bibel und die Moral

Vielleicht sollten einige Passagen, die in der Bibel stehen, grundsätzlich hinterfragt werden, immerhin ist dieses Buch etwa 1200 v.Chr. entstanden und unsere moralischen Vorstellungen haben sich in dieser Zeit doch hoffentlich schon etwas gewandelt. Auch Sprache ändert sich mit der Zeit und vielen Übersetzungen, weshalb es unmöglich ist, die Bibel wortwörtlich zu verstehen. Vieles muss daher interpretiert werden. Und auch im Zweifelsfall gilt es, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Wer glaubt, Religion sei eine Ausrede für homophobes und generelles diskriminierendes Verhalten, der_die hat etwas grundlegendes nicht verstanden. Denn schließlich leben wir im Jahr 2015, nicht 215.

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