1. November 2015

Pro und Contra: Schulanfang um 9

Derzeit beginnt der Unterricht in den meisten Schulen um 8 Uhr oder kurz davor. Sowohl Schüler_innen als auch Lehrpersonen haben mit dieser Uhrzeit oft zu kämpfen. Auch von manchen Wissenschaftler_innen gibt es Kritik an dem frühen Unterrichtsbeginn, da hinterfragt wird, ob Jugendliche unausgeschlafen produktiv lernen können. Johanna Teufel und Lukas Tschemernjak schreiben in diesem Pro/Contra, welche Argumente für und welche gegen einen späteren Unterrichtsbeginn sprechen.

Um diese Uhrzeit sitzen Schüler_innen derzeit schon im Unterricht. Foto: pixabay.com
Um diese Uhrzeit sitzen Schüler_innen derzeit schon im Unterricht.

Pro

Ich komme um 7:30 Uhr in die Schule, setze mich in meinen Klassenraum und schließe die Augen. In der ersten Schulstunde bin ich geistig abwesend und habe keine Chance dem schwierigen Mathematikunterricht zu folgen. Wer kennt dieses Gefühl nicht?

Zu viele Schüler_innen fühlen sich nicht wohl und sind nicht in der Lage etwas nachhaltig zu lernen. Die moderne Hirnforschung belegt, dass Kinder in den frühen Morgenstunden noch nicht oder nur zu einem kleinen Teil aufnahmefähig sind. Schüler_innen, die einen längeren Anfahrtsweg haben, müssen teilweise schon um 6:00 Uhr aus dem Haus, was ihr Aufnahmevermögen keinesfalls steigert.

Die Situation kann jedoch einfach verbessert werden, ohne eine Mehrbelastung oder einen Nachteil für berufstätige Eltern befürchten zu müssen. In der ersten Unterrichtsstunde muss nicht unbedingt Mathematik oder Französisch gebüffelt werden, sondern hier könnten das gemeinsame Frühstück und soziale Aspekte im Vordergrund stehen. Schüler_innen nicht mit anspruchsvoller Thematik zu überfordern, sondern einen sozialen und zeitlichen Raum für Ruhe und das Miteinander zu schaffen, das ist das erklärte Ziel eines späteren Unterrichtsbeginns. Es wird sowieso diskutiert werden müssen, inwieweit eine bessere Balance zwischen Freizeit und Unterrichtszeit gefunden werden kann. Klar ist, dass trotzdem eine Betreuung für Schüler_innen vorhanden sein muss, um jene mit berufstätigen Eltern nicht zu benachteiligen.

Der verspätete Unterrichtsbeginn hätte nach jetzigem System zur Folge, dass der Schultag dementsprechend verlängert werden würde. Schülerinnen und Schüler verbringen jedoch schon genug Zeit in der Schule. Notwendig wäre aber für diese Veränderung eine generelle Bildungsreform. Durch eine Reduzierung der Stundenanzahl, der Erweiterung des Angebotes an verschränktem Ganztagesunterricht und der Einführung einer freien Fächerwahl, bzw. einer modularen Oberstufe, kann auch der Start des Unterrichts verschoben und damit das Arbeitsklima stark verbessert werden.

 

Lukas Tschemernjak ist 17 Jahre alt und besucht das BG/BRG Feldkirch in Vorarlberg.

Contra

Natürlich schlafen wir alle gerne aus. Selbstverständlich bleibe ich auch lieber lange wach. Und es ist doch sowieso allen klar, dass wir uns um 8:00 Uhr in der Früh nie so gut konzentrieren können wie um 9:00 Uhr.
Doch jetzt lasst uns einmal realistisch sein.

Schulanfang um neun bringt bestimmt einige Vorteile mit sich. Aber macht diese eine Stunde wirklich einen so gravierenden Unterschied?
Ja, wenn wir ehrlich sind, macht sie das. Aber nicht für uns Schüler_innen.
Eltern die früh morgens zu arbeiten beginnen, werden niemanden haben, der oder die ihre Kinder – die ja auch noch im Volksschulalter sein könnten – betreut. Sie werden ihre Kinder nicht in die Schule begleiten können, wenn wichtige Dinge anstehen. Sie werden ihre Kinder morgens nicht sehen, wenn sie aus dem Haus gehen. Und Eltern, die ihre Kinder auf dem Weg zur Arbeit in die Schule bringen, müssen sich sowieso etwas neues ausdenken.

Diejenigen von uns, denen die eigene Bequemlichkeit wichtiger ist als die Verantwortung und Berufstätigkeit der Eltern, lassen sich vielleicht damit überzeugen, dass diese eine Stunde Unterschied den ganzen Tagesablauf nach hinten verschiebt. Die Schüler_innen, die jetzt schon bis halb 6 Unterricht haben, werden noch eine Stunde länger in der Schule sitzen und Zeit, um „konzentriert“ Hausübungen zu machen, finden sie dann ganz bestimmt auch nicht. Ganz abgesehen davon wird Schüler_innen, die neben der Schule noch anderen Beschäftigungen nachgehen, der Raum dafür komplett entzogen. Sportvereine, Musikgruppen oder Ähnliches können sich nicht nur nach uns Schüler_innen richten.

Den einzigen Unterschied, den diese Stunde für uns Schüler_innen schlussendlich machen wird, ist, dass wir, wenn wir am Abend den Wecker in unseren Smartphones stellen, bemerken werden, dass wir ja eh noch lange schlafen können und es ganz sicher keinen Unterschied macht, ob wir jetzt noch kurz in Whatsapp und Facebook unseren Friends antworten. Wir werden also diese Stunde sowieso länger wach bleiben und morgens um neun genauso müde sein, wie wir es heute um acht waren.

 

Johanna Teufel ist 17 Jahre alt und besucht das Musikgymnasium in Feldkirch, Vorarlberg.

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