„Die Schwuchtel da trägt ein Kleid“
Über Gewalt an Inter- und Trans*personen, unsere wunderbare Toleranz, und die Faust der linken Bewegung.
Endlich ist es soweit. In ganz Amerika dürfen gleichgeschlechtliche Paare heiraten und Frau Jenner macht sichtbar, dass wir alle nicht wissen, was Geschlecht wirklich ist. Die Gleichberechtigung von LGBTQIA+Personen ist gekommen! Hier gibt es nichts mehr zu tun, wir können alle nach Hause gehen und tolerant sein, oder? Ich sage nein und werde nun erklären, warum man uns beleidigt, schlägt, und warum mir die Zahl 42 Angst macht.
Schöne, neue Welt.
Viele Politiker_innen, aber auch einige von uns Normalsterblichen, scheinen die oben erwähnten Entwicklungen als Zeichen dafür zu sehen, dass der Kampf um die Gleichberechtigung vorbei ist, oder, dass die „Homos“ jetzt hübsche neue Rechte bekommen haben und dadurch den Mund halten werden. Jedoch finde ich, dass, da wir jetzt endlich gehört wurden, wir noch viel lauter schreien müssen. Wieso? Weil Themen rund um die LGBTQIA+Community totgeschwiegen werden, weil die meisten Menschen keine Ahnung haben, was Intersex bedeutet, weil die binäre Geschlechtervorstellung (Mann und Frau) immer noch die unumstrittene „Wahrheit“ ist, und weil Geschlechterrollen ein so fester Teil der österreichischen Gesellschaft ist wie Lederhosen und die katholische Kirche.
Falls euch Worte nicht beeindrucken, habe ich noch ein Paar Zahlen. 42% der Trans*frauen in den USA haben laut der National Transgender Discrimination Survey Selbstmordversuche begangen und das ist kein schlechter Witz, sondern purer Wahnsinn. Bei Trans*männern (46%) und Nicht-Binären-Personen (50%), Gruppen über die öffentlich kein einziges Wort gesagt wird, ist die Rate noch höher. Außerdem waren 50% der Trans*personen Opfer sexualisierter Übergriffe.
Die erste Gewalt, die Intersexpersonen widerfährt, passiert bei der Geburt. Durchschnittlich wird eines von 100 Kindern mit einem Körper geboren, der dem männlichen bzw. weiblichen Standard entspricht. Eines von durchschnittlich 1000 Kindern wird deswegen operiert, um ihr Aussehen zu „normalisieren“. Viele dieser Menschen sind danach unzufrieden mit ihrem „korrigierten“ Körper und verlangen, dass der Staat, der diese Gewalt legalisiert hat, zur Verantwortung gezogen wird, vergebens.
Aber in der Bibel steht…
Ich könnte weiterhin über Mord, Vergewaltigung, und psychische Gewalt gegenüber Inter- und Trans*personen schreiben, aber ich finde, dass die größte Gewalt, die man uns nicht als Einzelpersonen, sondern als Gemeinschaft antun kann, lügen ist.
Ein großes Problem in der Debatte um unsere Rechte ist Fehlinformation. Laut den allgemein anerkannten Fakten bin ich ein verwirrter, psychisch gestörter, schwuler, linksradikaler Mann, der nur seinen Fetisch öffentlich ausleben will. Deshalb darf man mich auch auf keinen Fall in Frauenklos lassen. Außerdem bin ich pädophil. Das ist eine Menge auf einmal und ich denke, dass es selbsterklärend ist, wieso solche Annahmen der Trans*community schaden. Leute, die so etwas glauben hören nicht hin, wenn ich versuche zu erklären, dass mich als Mann zu definieren eine große Lüge wäre, dass ich eigentlich ein sehr fröhlicher Mensch wäre, dass ich Menschen aller Geschlechter attraktiv finde, dass ich am Klo scheißen, Hände waschen und wieder gehen will, und dass ich nicht in einer Gesellschaft leben will, die einen meiner wirklichen Fetische öffentlich akzeptiert.
Und genau das ist der Punkt. Obwohl Trans*personen in letzter Zeit viel sichtbarer für die Gesellschaft sind, sind die Vorurteile nicht verschwunden. Leider scheint genau dieses von Vorurteilen behaftete Bild, dass viele Leute von Trans*personen haben, genau das zu sein, das am meisten sichtbar geworden ist.
Ich befürchte, dass bis diese Vorurteile nicht entkräftet sind, Ideen wie Intersex und nicht-binäre Geschlechter weiterhin totgeschwiegen werden und, dass sich die Situation für Personen, die das betrifft, nicht stark ändern wird.
Und…was jetzt?
Falls ich euch, die Leser_innen, noch immer nicht davon überzeugen konnte, dass Gewalt an Inter- und Trans*personen ein wichtiges Thema ist, gebe ich hiermit auf (außer ihr trefft mich irgendwann in einer Bar und seid diskussionsfreudig). Die von euch, die ich überzeugen konnte, fragen sich vielleicht, was sie tun können.
Informiert euch, und informiert andere. Je mehr Leute wissen, dass es normal ist Trans* oder Inter zu sein, desto leichter wird es sein, irgendwann in einer Welt zu leben, in der es egal ist was man zwischen den Beinen hat.
Zeigt Zivilcourage, wenn ihr mit Gewalt konfrontiert werdet, oder versucht, sie zu verhindern. Streitet mit Leuten, deren konservatives Weltbild der wirklichen Welt nicht entspricht.
Die Welt wird sich nicht verändern weil wir faul herumliegen und unseren Brüsten beim wachsen zuschauen.