14. September 2015
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Boom, clap, the sound of our cultures

Interkulturelles Lernen gehört in die Schule

„Falafel ist echt a Traum, der Kimono war viel komplizierter zum Anziehen als ich mir gedacht hätte, und nichts geht über Türkischen Honig!“, denke ich mir als ich mich mit genüsslich überstrapaziertem Bäuchlein auf den Heimweg von dem interkulturellen Fest mache, das meine Schule einmal im Jahr veranstaltet.

Dass ich eigentlich einen Hanbok anprobiert habe und keinen Kimono, und dass ich eigentlich Lokum gegessen habe, werde ich wahrscheinlich nicht herausfinden. So intensiv wollte sich die Schule doch nicht mit „anderen“ Kulturen auseinandersetzen – es war ganz nett, einen Tag lang Essen, Kleidung, Tänze und Lieder aus verschiedenen Ländern auszutauschen, aber die ernsten, aktuellen Anliegen von Migrant_innen in Österreich, die überhaupt erst Kultur prägen, bleiben lieber unberührt. Das ist kein echtes interkulturelles Lernen.

Ein Schnitzel ist noch lange keine Kultur

Das Ziel von interkulturellem Lernen sollte recht klar sein: In der Schule antirassistische Grundsätze zu festigen, Akzeptanz gegenüber anderen zu üben und Selbstreflexion zu lernen. Diese Punkte gehen allerdings oft verloren und enden in sehr oberflächlicher Auseinandersetzung, wenn mit dem Begriff „Kultur“ unreflektiert umgegangen wird. Die Annahme, dass jedes Land eine eigene Kultur habe, ist eine solche Falle. Spielt traditionelle Kleidung wirklich eine wichtige Rolle im Alltag einer Gesellschaft, so sehr, dass sie als ausschlaggebend für „Kultur“ gesehen wird? Beschreibt sie wirklich „die eine“ Kultur eines Landes? Wir müssen hinterfragen, wessen Kultur wir wirklich meinen wenn wir z.B. von „der österreichischen Kultur“ sprechen – kaum die von einem Kind aus einem Arbeiter_innenbezirk, dessen Eltern nach Österreich geflüchtet sind. Wenn eins dieses Frage-und-Antwort-Spiel spielt, und unser Verständnis von „Kultur“ weiter hinterfragt, kommt eins zu dem Schluss, dass Kultur nicht statisch festgelegt und unveränderbar ist, und vor allem, dass sie nicht an ein Land gebunden ist.

Ein Land hat tausend unterschiedliche Kulturen, keine einzelne Person kann stellvertretend für eine „Landeskultur“, von der ausgegangen wird, sprechen. Genauso wenig kann von einer_m einzelnen Schüler_in erwartet werden, die Kultur seines_ihres Landes zu repräsentieren, besonders wenn er_sie vielleicht nie in dem Heimatland der Eltern gelebt hat oder kaum Erinnerungen an die Zeit dort hat. An „österreichische“ Kinder wird so eine Anforderung auch nicht gestellt: und genau das ist oft eine Fehlinterpretation oder -umsetzung von „interkulturellen“ Lernansätzen, dass sie von einer „Mehrheitskultur“ ausgehen, die die „Minderheit“ kennen lernen will.

Weil was bedeutet „interkulturell“, wenn eins den Wurzeln des Wortes nachspürt? „Zwischen“ Kulturen. Eine Kultur trifft auf die andere, es gibt einen Krach und eine Explosion, dann gehen sie wieder getrennter Wege. So eine Vorstellung spiegelt kaum die Realität einer Schulklasse wieder.

Wie stellen wir es uns dann vor?

Wenn interkulturelles Lernen richtig gemacht wird, heißt das, dass realisiert wird, dass verschiedene Schüler_in-
nen verschiedene Bedürfnisse und Interessen haben. Es bedeutet, dass Lehrpersonen auf die verschiedenen Zugänge von Schüler_innen zu einem Thema Rücksicht nehmen und sie ermutigen, ihre eigenen Erlebnisse und Erfahrungen in den Unterricht einzubringen. Es soll Raum für Diskussion unter Schüler_innen geschaffen werden und ihnen das Gefühl gegeben werden, dass ihre Beiträge wichtig sind. Dadurch kann interkulturelles Lernen die Schule zu einem sicheren Raum machen, in dem Diskriminierung und Ausgrenzung keinen Platz haben. Wenn Kinder von klein auf lernen, Vorurteile zu erkennen und abzubauen, kann auch die Gesellschaft als Ganzes verändert werden und inklusiver werden. Diskriminierungen müssen thematisiert und Privilegien reflektiert werden – dazu muss eins nicht studiert haben, eins erkennt schon im Kindergarten, dass eins es leichter hat weil eins z.B. helle Haut hat und als „süßes Kind“ wahrgenommen wird. Um solche Themen zu besprechen, muss Schule außerdem demokratisch sein.

Interkulturelles Lernen bedeutet also, in der Schule einen inklusiven, diskriminierungsfreien Raum zu schaffen, der der Gesellschaft als Ganzes ein Vorbild sein soll. Viel mehr als das „Aufeinandertreffen zweier Kulturen“ werden die individuellen Schüler_innen geschätzt und gefördert, die jeweils eine eigene Geschichte mitbringen, die geprägt ist von vielen verschiedenen Einflüssen und Erlebnissen, von vielen Kulturen, die nicht pauschal als eine „Landeskultur“ abgestempelt werden kann. Interkulturalität soll dazu ermutigen, sich mit den vielfältigen Identitäten einer Klasse auseinanderzusetzen und uns selbst immer wieder kritisch zu betrachten.

Panoramablick von der Schule zum System

Am besten lernen kann eins in einem Umfeld, in dem eins sich wohlfühlt, und am glücklichsten ist eins dort, wo eins das Gefühl hat, willkommen zu sein. Wer sich in der Schule entfalten kann, hat auch bessere Chancen im Leben nach der Schule – deshalb ist es essentiell, alle Schüler_innen so ein positives Umfeld garantieren zu können und Hürden für Migrant_innen sowohl im System als auch im alltäglichen Unterricht abzuschaffen. Solche Intentionen müssen ernst gemeint sein und tiefer greifen als ein Schulfest, in dem eins bloß Kulturen herzeigt, zu denen eins eigentlich wenig Bezug hat, und nur oberflächlich hineinschnuppert, ohne die tiefergreifenden Bedeutungen von Traditionen verstehen zu lernen. Sicher können Schulfeste ein netter Weg sein, sich besser kennenzulernen und Gespräche anzufangen, die im Unterricht vielleicht nicht auftauchen würden – aber Kultur tauschen wir in der Schule jeden Tag aus, und voneinander lernen tun wir genauso jeden Tag, und diesen ununterbrochenen Austausch können wir fördern.

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