30. Oktober 2015
Geschrieben von

In meiner Schule würde ich…

Wie sieht der ideale Unterricht aus? Wie sollte Leistung beurteilt werden? Wer soll darüber entscheiden, was gelernt wird? Fragen, die so gut wie nie gestellt werden, schon gar nicht uns, die in die Schule gehen. Deshalb befragten wir Gerda Benesch-Tschanett, Direktorin der AHS Theodor Kramer Strasse, sowie Axel Gendron , Schüler der 8A, zu ihrer Traumschule.

Syntax: Wie gerne geht ihr in die Schule?

Fr.Benesch-Tschanett: Ich gehe schon lange und immer noch gerne zur Schule.

Syntax: Was gefällt dir besonders?

Fr.Benesch-Tschanett: Es ist das Gefühl, Schule so mitgestalten zu können, wie ich es mir immer gewünscht habe. Natürlich gibt es Rahmenbedingungen. Aber ich merke schon, dass es Möglichkeiten gibt, Dinge so zu steuern, wie ich sie als Schülerin immer haben wollte.

Axel Gendron: An und für sich bin ich froh, dass ich mich bilden darf. Froh darüber, dass mir eine gratis Bildung zur Verfügung gestellt wird. Grundsätzlich gehe ich gerne zur Schule, auch wenn hin und wieder die Motivation fehlt.

Syntax: Wie stellt ihr euch den idealen Unterricht vor?

Fr.Benesch-Tschanett: Für mich ist einiges an Ansätzen vorhanden. Was mir wichtig wäre ist die Auflösung der Zeitstruktur. Mich stört das unheimlich, dass um Punkt 8 begonnen werden muss, dann geht das bis 13.30, gepackt in 50.Minuten-Einheiten. Mir wäre es lieber, wenn das gut aufgelöst und Unterricht geblockt wahrgenommen werden könnte. Auch gefallen würde mir, wenn Unterricht nicht so stringent in Fächer unterteilt wäre. Erst Englisch, dann Deutsch und Mathematik. Sondern stattdessen sollte, als Beispiel, einen Monat lang ein Schwerpunkt auf naturwissenschaftliches Arbeiten gelegt werden. Und das sollte projektorientiert stattfinden,damit die Schüler_innen Zusammenhänge besser verstehen. Ich würde mir auch wünschen, dass man Kinder mehr in die Eigenständigkeit entlässt und nicht immer sagt: “du musst das jetzt tun damit du diese Note bekommst.” Kinder sollen von klein auf lernen, dass sie vom Lernen profitieren. Wichtig wäre mir auch ein gutes Miteinander, weg von dieser angstbesetzten Lernerei.

Axel Gendron: Was ich noch wichtig fände, wären kleinere Lerngruppen. Weg von den 25 Leuten. Mit weniger Personen ist das schon eine ganz andere Lernerfahrung. In der Spanischstunde zum Beispiel steht dann eher das Reden im Vordergrund als der Frontalunterricht. In kleinen Gruppen funktioniert projektorientierter Unterricht auch besser.

Victoria Benz

Syntax: Wie sehr motiviert dich Schule zum Lernen Axel?

Axel Gendron: Wenn ich ehrlich bin, lerne ich das, was mich interessiert. Wenn ich irgendeinen persönlichen Bezug dazu habe oder merke, dass ich etwas damit anfangen kann, dann lerne ich auch gerne. Oder wenn mich etwas fasziniert. Das gesamte Thema Genetik in Biologie zum Beispiel. Zu sehen, wie klein alles ist, was uns als Menschen ausmacht, Das ist schon ziemlich leiwand. Also liegt die Motivation vor allem im eigenen Interesse. Aber es gibt auch den Notendruck. Es gab eine Zeit, in der ich mich ziemlich anstrengen musste, um das Fach positiv zu schaffen, was für mich keine tolle Lernerfahrung war. Da musste ich mich auf die Prüfung konzentrieren und alles andere zurückstellen.

Syntax: Wie können Schüler_innen in eurer Traumschule zum Lernen motiviert werden?

Fr.Benesch-Tschanett: Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Denn ich sehe, mit wie viel Motivation die Kinder in der Volksschule gelernt haben und wie es dann im Laufe des Gymnasiums einen Bruch gibt. Ich kann mich an viele Lernsituationen in meinem Leben erinnern, wo die Materie sehr langweilig war. Aber der_die Lehrer_in oder Uniprofessor_in hat das so toll vermittelt, dass es mir Spaß gemacht hat, mich damit auseinanderzusetzten. Andererseits hat einiges nicht funktioniert, weil die Motivation nicht vorhanden war. Heute denke ich mir beim Lehrstoff: was nehmen die Schüler_innen wirklich mit ins Leben? Es sollte innerhalb der Schule strukturiert werden, was uns wichtig ist, den Schüler_innen mitgzugeben, und was wir auch streichen können.

„Wenn ich von meiner Traumschule ausgehe, dann wäre ich froh, wenn Leistung beurteilt wird, indem Feedback geboten wird.“

Fr. Benesch-Tschanett

Syntax: Wie stellt ihr euch Leistungsbeurteilung in eurer Traumschule vor?

Fr. Benesch-Tschanett: In meiner Traumschule würde ich das so gestalten, wie ich es auch oft in meinem Unterricht gemacht habe. Nämlich andere Mittel der Leistungsbeurteilung suchen, zum Beispiel Feedbackgespräche mit Schüler_innen. Ich habe immer versucht, den Druck rauszunehmen. Ich finde es nicht gut, nur auf Prüfungen hinzuarbeiten und alles andere hintanzustellen. Wenn ich von meiner Traumschule ausgehe, dann wäre ich froh, wenn Leistung beurteilt wird, indem Feedback geboten wird. Indem man darauf hinweist, welche Kompetenzen schon ausreichend vorhanden sind und auch Schüler_innen einander Feedback geben.

Axel Gendron: In meiner Klasse gibt es zwei Typen: jene, die es interessiert und die sich daher beim Lernen nicht so anstrengen müssen. Und die, die es nicht interessiert, die sich aber anstrengen und sich bemühen und dann trotzdem schlechter bewertet werden. Da sollte man das Gesamtbild betrachten und sich nicht nur auf erbrachte Leistungen fixieren.

Syntax: Wäre es vorstellbar, dass Schüler_innen sich den Lehrplan selbst zusammenstellen?

Fr. Benesch-Tschanett: In Kernbereichen hätte ich das nicht gerne, weil es einen gewissen Grundkonsens geben sollte. Es sollte aber doch einen gewissen Spielraum, wo man sich nach seinen Interessen etwas zusammenstellt. Das ist auch eine Art Reifungsprozess.

Axel Gendron: Das Interesse würde stärker geweckt werden, wenn man sich die Inhalte selbst aussucht. Einige Lehrer_innen macht das sogar schon. Im Wahlpflichtfach Geschichte etwa besprechen wir am Anfang des Jahres, was wir lernen wollen. In einem Modulsystem, bei dem auch in kleineren Gruppen gelernt wird, glaube ich schon, dass wir uns den Lehrplan selbst zusammenstellen könnten.

„Wenn bedacht wird, dass die Wahlbeteiligung seit der Nachkriegszeit stetig gesunken ist, ist es wichtig, dass es ein Fach gibt, in dem es darum geht, wie wichtig es ist eine politische Meinung zu haben.“

Axel Gendron

Syntax: Wie stellt ihr euch politische Bildung in der Schule vor?

Fr. Benesch-Tschanett: Prinzipiell heißt das Fach Geschichte und Politische Bildung, sollte also im Geschichtsunterricht stattfinden. Ich halte es für äußerst wichtig, dass junge Menschen politisch gebildet werden und das wertfrei im Sinne von nicht ideologisierend. Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, zu kritischen mündigen Menschen heranzuwachsen.

Axel Gendron: Ich bin dafür, dass Politische Bildung als eigenes Fach eingeführt wird, weil das Thema in Geschichte meistens zu kurz kommt. Wenn bedacht wird, dass die Wahlbeteiligung seit der Nachkriegszeit stetig gesunken ist, ist es wichtig, dass es ein Fach gibt, in dem es darum geht, wie wichtig es ist eine politische Meinung zu haben. Vor allem in einer Demokratie, in der wir das Recht haben, mitzubestimmen. Es sollte wirklich darauf geachtet werden uns zu zeigen, wie wertvoll es ist, ein Mitspracherecht zu haben. Dass Politik jede_n etwas angeht.

Syntax: Es wird in letzter Zeit viel über Schulautonomie diskutiert, wobei es verschiedene Vorstellungen dazu gibt. Was ist denn eure?

Axel Gendron: Ich würde mich stärker für Schulautonomie aussprechen. Ich habe schon im SGA miterlebt, was wir alles beschließen können. Was hier in der Schule gebraucht wird, wissen die am besten, die auch in die Schule gehen und hier arbeiten.

Syntax: Wer sollte in die Entscheidungen, die die Schule autonom treffen könnte, involviert werden?

Frau Benesch-Tschanett: Für mich ist klar geregelt, dass das im SGA besprochen wird und die Schüler_innenvertretung dafür sorgt, dass das auch in den Klassen besprochen wird. Und dann als gewählte Vertretung dafür oder dagegen stimmt. Das sehe ich auch bei den Lehrer_innen und Eltern so.

Axel Gendron: Ich finde, dass alle repräsentiert werden sollten. Vielleicht auch, dass Schüler_innen und Lehrer_innen mehr Mitspracherecht haben sollten als Eltern, die nicht so viel Zeit in der Schule verbringen.

Syntax: Und wie stellst du dir dieses Mitspracherecht in deiner Traumschule vor?

Axel Gendron: In meiner Traumschule würde es Versammlungen geben, bei denen jede Person mitdiskutieren könnte. Und zwar in einem großen Raum, in dem alle zusammenkommen, Anliegen austauschen und gemeinsam Beschlüsse fassen können.

„Den Notendruck und damit auch den Leistungsdruck wegnehmen und vermehrt die Interessen der Schüler_innen fördern“

Axel Gendron

Syntax: Wenn ihr die Macht hättet, eine Sache im Bildungssystem zu verändern, was wäre das?

Fr. Benesch-Tschanett: Ich würde einfach die Rahmenbedingungen verzaubern. Keine Schulglocke um 8, keine 50 Minuten..

Axel Gendron: Ich würde die Leistungsbeurteilung verändern. Den Notendruck und damit auch den Leistungsdruck wegnehmen und vermehrt die Interessen der Schüler_innen fördern. Sodass aus Interesse heraus gelernt wird und nicht durch Druck.

Direktorin und Schüler diskutieren gemeinsam über ihre Traumschule Foto: Victoria Benz
Direktorin und Schüler diskutieren gemeinsam über ihre Traumschule